Das Mikrobiom braucht mehr als Kartoffelmehl

Das Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroben, welche uns (und auch andere Lebewesen) bewohnen. Es ist wichtig und man könnte es als eigenständiges Organ bezeichnen, obwohl ich bezweifle, dass es so einfach ist wie ein Organ unseres Körpers.

Hrdina et al. zeigten an Mäusen, dass das Mikrobiom des Darms einen Nährstoffbedarf haben könnte.1 Bei einer selenarmen Ernährung zeigten keimfreie Mäuse erhöhte Werte für selenabhängige Enzyme wie Glutathionperoxidase im Vergleich zu Mäusen mit einem Mikrobiom. Das deutet darauf hin, dass das Mikrobiom einen Nährstoffbedarf hat, welchen es logischerweise versucht zu decken, bevor der Bedarf des restlichen Körpers berücksichtigt wird.

Ich habe häufig den Eindruck, dass viele davon ausgehen, dass das Mikrobiom einfach nur eine Sorte von Futter braucht: Ballaststoffe. So ordne ich den unangemessen eindimensionalen Versuch von Menschen, ihr Mikrobiom durch den Verzehr von resistenter Stärke zu verbessern.

Es gibt nicht nur verschiedene Formen von resistenter Stärke, es gibt ganz verschiedene Ballaststoffe und man sollte selbstverständlich davon ausgehen, dass es einen Unterschied ausmacht, ob man nun Inulin oder Pektin zuführt. Wir haben es mit einem komplexes Ökosystem.

Nehmen wir an, wir haben drei verschiedene Schweinegehege. In ein Gehege kippen wir unsere Speisereste, ein zweites befüttern wir nur mit Pizza und ein anderes mit Kartoffeln. Irgendwie können Schweine mit allen Futterarten leben und sich vermehren. Doch wenn ich auf den Zustand der Schweine Einfluss nehmen möchte, kann ich nicht erwarten, dass einfach Futter hineinzukippen ausreicht.

Nun haben wir keine Schweine in unserem Gehege, so wie wir auch nicht nur eine Art von Mikroben in uns haben. Wir haben Schweine, Kühe, Wölfe und viele, viele andere Tiere. Wenn ich nun wiederum nur Pizza reinkippe, sterben die Kühe, die Schweine werden ungesund und den Wölfen geht es zwar erstmal gut, aber im Laufe der Generationen werden auch sie Probleme kriegen.

Mikrobiom ist kompliziert

Unser Mikrobiom besteht schlicht und ergreifend nicht nur aus Ballaststoffen. Wir haben ein komplexes Ökosystem mit komplexen Nährstoffbedürfnissen.

Was tun?

Tja, was bedeutet das für die Praxis? Welche Mikronährstoffe sind wichtig für die guten Bakterien? Ich glaube, das hinter dieser Frage bereits ein falschen Grundmodell steckt. Gute Bakterien können in sehr gesunden Därmen fehlen. Die Hadza verlieren nach dem Abstillen Ihre Bifidobacterium und Lactobacilli. Ich zitiere aus dem Artikel:

Clearly, mountains of research suggest these lactic acid bacteria are good for us, but are there other – more ancestral – groups of bugs that may be more in tune with our seasonal gut post-weaning? More importantly, does the persistence of bifidobacterium and similar bugs in our western gut – mainly due to continued consumption of cow’s milk, ingestion of some probiotic/prebiotic foods, and so on into adult life – nudge out or blunt down other members of our gut ecosystem that would otherwise flourish and provide important ecosystem services?

Vielleicht sind diejenigen Bakterienstämme, welche im Kontext unseres westlichen Lebens, dass fast jeder führt, selbst wenn er Hardcore-Paleo ist, gesund sind, mit Opportunitätskosten verbunden. Wir sind vielleicht jetzt gesünder mit ihnen als ohne sie, könnten aber ohne sie in einen Zustand noch besserer Gesundheit wechseln.

Das macht die entsprechenden Mikroben weder gut noch schlecht. Es macht sie passend, was genialerweise zur Fehlinterpretation des Satzes “Survival of the Fittest” passt. Es geht nicht um den Stärksten oder Schnellsten sondern um den Passendsten. Das Gleiche gilt auch für die Mikroben in unserem Därmen.

  1. Sie müssen zu unserem Körper passen.
  2. Sie müssen zu unserer Umwelt passen.
  3. Sie müssen zu unserer Interaktion zwischen Körper und Umwelt passen.
  4. Sie müssen zueinander passen.

Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, haben wir ein gutes Mikrobiom. Die Frage “Was sind die guten Bakterien?” ist vor diesem Kontext falsch gestellt. Es kann keine grundsätzlich guten und schlechten Mikroben geben.

Das stellt uns vor interessante Neubewertungen, vor allem für fermentierte Lebensmittel. Meine Konsequenz ist, dass ich mich erstmal von allzu spezifischen Thesen verabschiede. Ich kann nicht mehr davon ausgehen, dass ich einfach ein paar gute Mikroben in meinen Darm bringe und schon wird alles besser. Ich habe keinen Einblick, ob diese Mikroben nun zu den anderen Mikroben passen.

Mit selbstgemachtem Kefir habe ich eine negative Erfahrung gemacht. Da habe ich jedes Mal, wenn ich den getrunken habe, wundervoll flüssige Flitzekacke (Gruß an meinen Cousin) bekommen. Sauerkraut scheint mir dagegen sehr gut zu bekommen.

Was denn nun tun?

Ein gesundes Mikrobiom folgt ähnlichen Regeln, wie eine gewöhnliche gesunde Ernährung: Viel Gemüse, saisonale Ernährung, eine möglichst große Variabilität von Nahrung, vielfältige Bewegung an der frischen Luft, Kälte, Sonne und ab und zu mal Fasten. All diese Dinge machen das Mikrobiom gesund.

Versuch nicht das Mikrobiom gesunden zu lassen. Du willst gehst ja auch nicht spazieren, damit deine Leber metabolisch flexibler wird. Das Mikrobiom ist eines deiner Organe, wenn auch ein ganz besonderes. Damit ist es ein Teil von dir und sollte als ein Teil eines Ganzen betrachtet werden. Dein Darm kommuniziert wahrscheinlich mit deinem Gehirn. Da ist es nicht so schwer anzunehmen, dass diese Kommunikation auf Gegenseitigkeit beruht. Vielleicht ist der nächste Schritt nicht, noch mehr Pro-, Prä und Synbiotika zu schlucken, sondern ein gutes Stressmanagement oder eine bessere Schlafhygiene.


  1. Juliane Hrdina, Antje Banning, Anna Kipp, Gunnar Loh, Michael Blaut, and Regina Brigelius-Flohé (2009): The gastrointestinal microbiota affects the selenium status and selenoprotein expression in mice, J Nutr Biochem 8, 2009, Vol. 20, S. 638-48. Abstrakt