Debatten über Low Carb

Eine Studie macht gerade ganz schön die Runde in der Blogosphäre, weshalb ich selbst nicht darüber schreiben wollte. Schließlich haben bereits andere genügend darüber geschrieben. Doch meine Auseinandersetzung mit den Auseinandersetzungen anderer Leute hat mich einigen Gedanken geführt, die ich dann doch teilen will.

Es geht um folgende Studie: Calorie for Calorie, Dietary Fat Restriction Results in More Body Fat Loss than Carbohydrate Restriction in People with Obesity

Das Besondere dieser Studie ist, dass sie ihre Variablen gut kontrolliert. So durften die Probanden nur das essen, was ihnen gegeben wurde, man hat den DXA-Scan eingesetzt und hat versucht sogar noch etwas etwas Genaueres zu verwenden.

Die Medien stürzen sich natürlich auf diese Studie, den mal wieder kann man etwas Kontroverses schreiben. Bevor du dich aufregst, dass die Medien mal wieder die Wissenschaft verdrehen und ihre Aussagen pervertieren, bedenke, dass die Medien nicht der Wahrheit verpflichtet sind. Sie sind der Aufmerksamkeit verpflichtet, die Wahrheit ist dagegen untergeordnet.

Wen dieser Zusammenhang interessiert, dem sei das Buch von Luhmann Die Realität der Massenmedien empfohlen.

Das Studiendesign

Die Forscher haben die Probanden zunächst einer LowCarb- oder einer LowFat-Gruppe zugeordnet. Nach sechs Tagen wurden sie für 2--4 Wochen alleine gelassen und haben dann die jeweils andere Ernährungsform für sechs Tage durchgeführt. Vor jeder Phase haben die Forscher eine Standardernährung für fünf Tage verabreicht, die in ausgeglichener Kalorienbilanz mit 50 % Energie aus Kohlenhydraten, 35 % aus Fett und 15 % aus Proteinen gestaltet ist.

Das Ergebnis

Die LowFat-Gruppe nahm 0,588kg ab, während die LowCarb-Gruppe nur 0,529 kg abnahm. Die Forscher trauten dem DXA-Scan nicht (Man wird mit verschiedenen Röntgenstrahlen angestrahlt, so dass eine Art dreidimensionales Modell des Körpers entsteht) und rechnet es lieber an Hand ihrer Messungen in ihrer Beobachtungs-Kammer aus. (Hier wird der Kalorienverbrauch über abgegebene Hitze und Sauerstoffverbrauch gemessen) Dann veränderte sich der Unterschied auf 245g (LowCarb) gegen 463g (LowFat)

An dieser Stelle scheint es erstmal schlecht für die LowCarb-Gruppe auszusehen.

Mein Kommentar

1. Das ist kein Argument gegen die Insulin-Hypothese:

Auf dem Edubilyblog habe ich gestern eine kleine Debatte mit Chris angefangen. (2015-08-18) Er argumentiert dafür, dass diese Studie die Insulin-Hypothese widerlegt.

Während die LowCarb-Seite dafür argumentiert, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, das Insulin zu senken, zeigt die Studie, dass dies nicht der Fall ist. Trotz höheren Insulins kam es bei der LowFat-Gruppe zu mehr Fettverlust.

Die Gegenseite nimmt nun Chris ein. In der Debatte in den Kommentaren (Link ist oben) habe ich offensichtlich die Gegenposition eingenommen, doch nicht zu dem, was die Studie sagt. Hier etwas genauer:

Insulin hat nicht nur über den "Fat-trap" Einfluss auf das Körperfett. (Fat-trap meint, das Insulin es unmöglich macht auf das Körperfett zurückzugreifen) Es gibt eine ganze Reihe von Mechanismen, wovon ein Beispiel die mitochondriale Gesundheit ist. Insulin hemmt einige Prozesse des Stoffwechsels, die wichtig für die mitochondriale Gesundheit sind. Wenn beispielsweise das Insulin permanent erhöht ist, wird die Autophagie permanent gehemmt, so dass die Zelle sich selbst schlechter instand hält. Das führt zu schlechterer mitochondrialer Funktion, was wiederum zu höheren Entzündungswerten führt.

Ein langfristig niedriger Insulinspiegel hat über verschiedene Wege Einfluss auf den Körperfettanteil. Hier wird nur ein Weg auf kurzfristigem Wege unter die Lupe genommen.

Chris hat selbstverständlich Recht, dass die Studie gezeigt hat, dass nicht Insulin der (kurzfristige) Hauptregulator für den Fettverlust ist.

Mich wundernd aber, dass dies so kontrovers ist, weil das Problem des Übergewichts kein Zuviel an Insulin ist, sondern ein Zuwenig. Schließlich ist die Insulinwirkung bei Übergewichtigen Menschen massiv gesenkt. Der Körper fährt das Insulin hoch, weil zu wenig Insulin da ist, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. (Das ist übrigens der Fehler von Garry Taubes)

Langfristig ist Insulin selbstverständlich auch nicht der Hauptregulator, weil hier schließlich mehr Dinge bei einer Kohlenhydratreduktion passieren und miteinander interagieren.

Fattrap nein, aber niedriges Insulin hat über andere Wege einen Einfluss auf den Körperfettanteil.

2. Die metabolische Flexibilität der LowFat-Gruppe sinkt.

Die Kapazität Fett zu verbrennen ist gesunken. Das heißt, dass die Fastenfähigkeit der LowFat-Gruppe erheblich gesenkt ist. In Perioden von Nahrungsknappheit (z.B. in der Nacht) werden sie schlechter ausgleichen. (zum Beispiel durch höheren Muskelmasseverlust)

3. Die Kalorienbilanz mal wieder ausgetrickst.

Diese Schlussfolgerung habe ich bisher noch nicht gelesen, aber wir haben hier bei beiden Messmethoden den Fall, dass die Kalorienbilanz nicht greift. Das ist es, was (vermutlich) viele aus dieser Studie gerade nicht schließen wollen.

Normalerweise wird auf der Kalorienbilanz herumgeritten und der Vorteil der LowCarb-Ernährung wird auf eine Reduktion der Kalorien reduziert.

Führen wir uns den Titel der Studie noch einmal vor Augen:

Calorie for Calorie, Dietary Fat Restriction Results in More Body Fat Loss than Carbohydrate Restriction in People with Obesity

4. Es gibt mehr als nur Insulin.

Wenn man sich die Werte ansieht, gibt es einige sehr interessante Entwicklungen:

  • Die LowFat-Gruppe hatte ein erheblich schlechteres Verhältnis von HDL zu Tryglycerid. Dieses Verhältnis zeigt die Partikelgröße des LDL-Cholesterins an, welche wiederum ganz entscheidend für die Gesundheit der Gefäße ist. Die LowFat-Gruppe hat ihr Risiko für Herzkreislauferkrankungen erhöht!
  • Während bei der LowCarb-Ernährung die Ghrelin-Werte erhöht waren, waren sie bei der LowFat-Gruppe gesenkt. Ghrelin führt zu einer Wachstumshormonausschüttung, welches eine ganze Reihe von positiven Effekten hat. Dabei war PYY bei er LowCarb-Gruppe viel höher, was den Hunger reduziert. (viele LowCarber kennen das, dass der Hunger sich verringert)
  • Das Cortisol war bei der LowCarb-Gruppe deutlich höher. Der Wert sinkt normalerweise im Verlaufe der Anpassung, weil der Körper die Gluconeogenese weniger stark ankurbeln muss. Das heißt, dass die Fettverbrennung langfristig noch besser wird und eventuell für den Ausgleich sorgt.

5. Studiendesign ist nicht wirklich gut.

Die Probanden haben in der LowCarb-Gruppe trotzdem noch 140g Kohlenhydrate zu sich genommen. Das ist keine wirklich niedrige Kohlenhydratzufuhr.

Constantin von Paleosophie hat dies zu Recht kritisiert:

Aus der Studie:

Given the composition of the baseline diet, it was not possible to design an isocaloric very low-carbohydrate diet without also adding fat or protein. We decided against such an approach due to the difficulty in attributing any observed effects of the diet to the reduction in carbohydrate as opposed to the addition of fat or protein

Constantin:

Mit anderen Worten: „Wir haben uns nicht getraut, eine echte Low-Carb-Diät zu testen, weil sie sonst zu erfolgreich gewesen sein könnte“.quelle

Es hätte sein können, dass die Senkung des Insulins nicht den nötigen Schwellenwert erreicht hat.

6. Kein Übertrag auf die echte Welt.

So ist die Studie auch nicht gemeint. Die Studie hat gezeigt, dass eine Senkung des Insulins (kurzfristig) keinen relevanten Einfluss auf den Fettverlust hat, solange ein Kaloriendefizit vorhanden ist.

Hier geht es um wissenschaftliches Arbeiten, also um die Erforschung eines Mechanismus im Körper und nicht um ernährungspraktische Erkenntnisse. Diese war lediglich das Mittel, um zu forschen.

  • Der Fettanteil in der LowFat-Gruppe war unrealistisch niedrig (17g/Tag)
  • Eine LowCarb-Ernährung geht immer auch mit einer Veränderung vieler anderer Variablen einher. Diese wurden hier nicht zugelassen.
  • Eine Ernährungsumstellung erfolgt langfristig und nicht nur über sechs Tage.
  • Es sind mehr Dinge interessant als der Körperfettanteil. (siehe oben)
  • Eine LowCarb-Ernährung ist leichter durchhaltbar. In dieser Studie wird absichtlich der Einfluss der Nahrungsaufnahme, auf spätere Nahrungsaufnahme unterbrochen. Eine fett- und proteinreiche Nahrung führt zu einem geringeren Hungergefühl.
  • Die Teilnehmer hatten alle das gleiche Trainingsprogramm. Mich würde es nicht wundern, wenn die LowCarb-Gruppe hätte mehr trainieren können als die LowFat-Gruppe.

7. Die Dauer ist zu klein?

Wenn wir uns ansehen, brauchte die Fettgruppe ein klein wenig um warm zu werden. Allerdings sollte die LowCarb-Gruppe unter diesen Bedingungen nicht überholen, wie es Dr. Andreas Eenfeldt in seinem Blogpost schrieb:

Die LowCarb-Gruppe hatte eine tägliche Fettzufuhr von 108g und einen Vorteil von 55g pro Tag mehr oxidiertem Fett. Die LowFat-Gruppe verbrannte zwar weniger Fett, führte aber deutlich weniger Fett zu.

Die LowCarb-Gruppe würde unter den Umständen 26g Fett weniger pro Tag verlieren, wenn sie ihre Fettverbrennung nicht noch weiter erhöhte.

Die Dauer ist aus ganz anderen Gründen zu klein: Die LowFat-Gruppe nahm ingesamt nur 17g Fett zu sich. Das Essen schmeckt unter diesen Umständen richtig scheiße. Darüber hinaus werden diese Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit Probleme mit ihrem Hormonsystem bekommen, wenn sie über eine so lange Zeit so wenig Fett zu sich nehmen.

Die LowCarb-Gruppe hätte die LowFat-Gruppe überholt, hätte sie die Fettverbrennung noch weiter erhöhen können. Das ist allerdings sehr Wahrscheinlich, denn einige Anpassungen an eine LowCarb-Ernährung brauchen 2--3 Jahre. Allerdings war dazu der Kohlenhydratanteil noch zu hoch.

Abschließende Worte

An dieser Stelle breche ich ab. Ich habe schon mehr geschrieben als ich wollte, denn als ich diesen Artikel gelesen habe, fand ich diese Ergebnisse alles andere als kontrovers.

Update:

Die Männer verloren übrigens mehr Körperfett unter LowCarb als unter LowFat, obwohl sie ein geringeres Energiedefizit. Vergleiche dazu den diesen Beitrag.