Die Morgenroutine V - Kräftigen und Ausbelasten

Zusammenfassung: Mit überraschend wenigen und einfachen Methoden kann man schon einen großen Effekt erreichen. Kräftige dich mit Übungen mit eigenen Körpergewicht und puste dein System für 2min metabolisch durch. Darum geht es in diesem Beitrag.

Zu den vorherigen Teilen geht es hier:

  1. Die Morgenroutine I – Warum überhaupt?
  2. Die Morgenroutine II – Auf Autopilot
  3. Die Morgenroutine III – Mobilisieren, Kräftigen, Ausbelasten
  4. Die Morgenroutine IV - Atmen, Strecken, Balancieren

Kräftigung

Für viele ist dieser Teil unerlässlich. Heutzutage sehen wir immer noch Ausdauertraining als Flaggschiff der gesundheitsorientierten Maßnahmen. Das ist falsch, denn Krafttraining hat deutlich mehr Vorteile bei gleichem Zeiteinsatz.

Ich weise einem richtig durchgeführten Krafttraining das absolute Primat bei den gesundheitsorientierten Maßnahmen zu. Erst danach kommen alle weiteren Maßnahmen, solange keine funktionalen Defizite vorliegen und auch hier kann das Krafttraining (und sollte es auch) so gestalten, dass man gleichzeitig an diesen arbeitet.

Eigentlich ist Krafttraining das Üben von grundlegenden Bewegungsmustern. Mehr Gewicht ist eine Art, die Herausforderungen zu vergrößern das Bewegungsmuster stabil abzurufen.

Warum nochmal kräftigen?

  • Wenn du ansonsten keinen Sport und insbesondere kein Krafttraining machst, kannst du hier schnell und schmerzlos ein überraschend großes Fundament an Kraft legen.
  • Wenn du dich für ein späteres Training aktivieren willst, kannst du durch eine geschickte Übungsauswahl bestimmte motorische Programme "aufwecken"
  • Wenn du deinen G-Flux erhöhen willst um deine körperliche Veränderungen beschleunigen oder einfach deine Gesundheit verbessern willst, kannst du an dieser Stelle den Verbrauch und die Reizvielfalt erhöhen.

Welche Trainingsmittel soll ich wählen?

Im vorletzten Beitrag habe Übungen mit dem Körpergewicht erwähnt. Nach wie vor halte ich diese für die zuverlässigsten Kanditaten, weil man fast nur seinen eigenen Körper braucht.

Zuverlässigkeit als Anforderungen gilt natürlich vor allem, wenn man selbst sehr viel unterwegs ist. Ist man viel auf Geschäftsreise (oder reist einfach nur so viel), sollten die Übungen sehr zuverlässig sein. Hantelübungen kämen da natürlich überhaupt nicht in Frage.

Auf der anderen Seite leben viele Menschen ein zumindest räumlich stabiles Leben und wachen in aller Regel im eigenen Bett auf. Dann kann man natürlich auch andere Trainingsmittel in Betracht ziehen.

Welche Trainingsmittel stehen zur Auswahl?

Ein paar Vorschläge sind:

  • Turnringe + Klimmzugstange[^201312101503] für zu Hause UND unterwegs Das sind meiner Meinung nach die Allrounder unter den mobilen Fitnessgeräten. Es ist kostengünstig und man kann wenig falsch machen. Vor allem auch für Trainingseinheiten draußen nützlich
  • Gummibänder Für viele Übungen sind sie interessant. Leider kann man hier den Widerstand nur bedingt erhöhen (mehr Spannung).
  • Hanteln Sie sind der Klassiker unter den Möglichkeiten externes Gewicht anzulegen. Guck' dich bei Ebay um. Da findet man öfter mal Schnäppchen.
  • Sandsäcke Eine hervorragende Möglichkeit sich Instabilität und Alltagskraft ins Leben zu holen. In diesem Video demonstriert Ross Enamait einige Übungen. Man kann sie so anpassen, dass sie von alle Menschen einsetzbar sind.

Welche Übungen passen zusammen?

Das aussichtsreichste Schema ist das Trio aus Druck-, Zug- und Beinübung. So hat man jedes Gelenk in die meisten Funktionen abgedeckt. Das Trio ist eine sparsame Morgenroutine reicht aber nicht hin um alle Bewegungskompetenzen abzudecken. Man kann diesen Teil natürlich erweitern, doch dann wird es eine richtige Trainingseinheit, was etwas völlig anderes ist. Selbstverständlich halte ich dies für eine gute Idee, doch das ist nicht das Thema dieses Beitrags. Man kann nicht erwarten, dass man mit eine kurzen Übungsfolge alles abdeckt, was es abzudecken gibt.

Wenn ich für jemanden eine Morgenroutine gestalte, dann suche ich die Übungen nach dem wahrscheinlichsten Flaschenhals und der funktionalen Kapazität aus.

Beispiel 1: Die meisten Hobbybodybuilder (aka Pumper) sind in der Überkopfposition sehr inkompetent. Wenn sich das bei diesen in Funktionstest bestätigt, würde ich in die Kategorie Druck handstandartige Übungen packen und ihnen zeigen, mit welcher Achtsamkeit sie an diesem Problem arbeiten können. Die Kräftigung und Funktion für ihre Ziele (aka mehr Fleisch auf die Arme und Schultern) ist so oder so gegeben, solange diese progressiv arbeiten.

Beispiel 2: Fast alle Menschen, die eine sitzende Tätigkeit haben, sind extrem instabil im gesamten Rumpf.1 Nach einem kurzen Test orientiere ich mich zwar noch an dem Schema um noch den kräftigenden Effekt für den gesamten Körper zu erreichen. Der Fokus liegt dann aber auf der Kontrolle von Wirbelsäule und Becken während der Übungen.

  • Druckübungen: Liegestütz, Handstände, Dips, Bankdrücken, Überkopfdrücken, usw.
  • Zugübungen: Hängendes Rudern (aka Body Row), Klimmzüge, Hangeln, Ruderübungen mit Gewicht, Tauziehen
  • Beinübungen: Kniebeugenvariationen, Ausfallschrittvariationen, Hebevariationen, Treppensteigen

Welche Intensität soll ich wählen?

Prinzipiell sind alle Kraftübungen geeignet, die im Rahmen der funktionalen Kapazität morgens liegen. Für viele ist der Unterschied zwischen der morgendlichen Kapazität und der Alltagskapazität sehr groß. Andere müssen sich erst einmal ausgiebigst Aufwärmen.

Wenn du Übungen auswählst, die nach dem Atmen, Mobilisieren und Balancieren nicht stabil sind, hast du zu hoch gepokert.

Anmerkung: Kelly Starrett vergleicht das Verhalten von Kindern und Erwachsenen. Kinder laufen, sobald sie das Gebäude verlassen (und gesund sind), mit Vollgas los, während Erwachsene eine lange und immer länger werdende Aufwärmphase brauchen, bevor sie ihren Funktionszustand in vollem Umfang abrufen können.2

Er begründet diesen Sachverhalt damit, dass Kindern noch sehr frei von funktionalen Defiziten sind. Wenn dieser Schluss korrekt ist, gilt:

[pullquote position="right" hidden="true"]Wenn du am Morgen erwachst, denke daran, was für ein köstlicher Schatz es ist, zu leben, zu atmen und sich freuen zu können. - Marcus Aurelius[/pullquote]

Je größer der Bedarf nach Aufwärmmethoden in Umfang und Tiefe, desto schlechter ist die funktionale Basis, desto größer ist das generelle Verletzungsrisiko.

Ich halte es für einen erheblichen Missstand, wenn man nicht einfach loslaufen kann. Ich habe noch mit meinem Opa Radwettrennen gemacht, während er über 70 Jahre alt war. Das ist der körperliche Zustand, in dem wir Menschen uns im Alter befinden sollten.

Welche Methode?

Wie im vorletzten Beitrag Mobilisieren, Kräftigen, Ausbelasten schon erwähnt, kann man die Übungen in einem Zirkel mit genügender Pause durchführen. Genügend heißt, dass das Herzkreislaufsystem nicht der limitierende Faktor beim Training ist.

Wie viele Sätze und Wiederholungen?

Ich habe sehr erfolgreich das 7x+1 System verschrieben. Die Morgenroutine führst du hier jeden Tag durch. Du fängst an mit ca. 50% der Wiederholungen, die du mit dem entsprechenden Wiederstand ausführen kannst. Wenn du also 20 Liegestütz schaffst, fängt du mit 7x10 Liegestütz an (7 Sätze á 10 Wiederholungen). Und dann erhöhst du (die erste Zahl steht für die Anzahl der Runden und die zweite für die Anzahl der Wiederholungen):

Mo: 7x10
Di: 1x11 + 6x10
Mi: 2x11 + 5x10
Do: 3x11 + 4x10
Fr: 4x11 + 3x10
Sa: 5x11 + 2x10
So: 6x11 + 1x10

Die drei Übungen entsprechend immer im Zirkel. Die Übungen müssen nicht so gewählt sein, dass du bei allen Übungen im gleichen Wiederholungsbereich landest. Beispiel:

7 Runden aus
2x Klimmzügen
5x Pistols auf einen Stuhl als Tiefenbegrenzer
12x Liegestütz

Ausgeschrieben bedeutet das:

Montag:
1-7. Runde: 2 Klimmzüge, 5 Pistols, 12 Liegestütz

Dienstag:

  1. Runde: 3 Klimmzüge, 6 Pistols, 13 Liegestütz
    2-7. Runde: 2 Klimmzüge, 5 Pistols, 12 Liegestütz

Mittwoch:

  1. und 2. Runde: 3 Klimmzüge, 6 Pistols, 13 Liegestütz
    3-7. Runde: Runde: 2 Klimmzüge, 5 Pistols, 12 Liegestütz

usw.

Das bedeutet, dass du nach einer Woche in jedem Satz jeder Übung die Wiederholung um eine gesteigert hast. Und dann steigerst du nach dem gleichen Schema weiter.

Beim Wiederholungsbereich solltest du darauf achten, dass du nicht mehr als 20 Wiederholungen absolvierst. Dann wird der Zirkel nicht nur unnötig lang, der Widerstand ist auch sehr gering und/oder das Herzkreislaufsystem wird immer mehr zum Flaschenhals.

Doch hier kann man spielen.

  • Vielleicht ist der Rest deines Trainingsvolumens hoch, aber gering intensiv (z.B. Triathlon-Training). Dann kannst du mit niedrigen Wiederholungen Arbeiten.
  • Oder du machst Kraftdreikampf. Dann kannst du mit Wiederholungen im mittleren Bereich (5-10) bequem an Bewegungen arbeiten, die in deinem sonstigen Training zu kurz kommen.
  • Oder du bist eher gesundheitsorientiert, dann kannst du mit hohen Wiederholungen eine morgendliche Verbrauchsspitze setzen um deinen Metabolismus zu stärken.

Ausbelastung

Die Funktion der Ausbelastung ist einen Teil der Glykogenvorräte zu mobilisieren. Es geht um eine metabolische Belastung, also um einen Reiz für das Energiebereitstellungssystem. So komplettierst du die Morgenroutine. Die Herzkreislaufbelastung die du im Kräftigungsteil vermieden hast, holst du an dieser Stelle nach.

[pullquote position="right" hidden="true"]Ein Spaziergang am frühen Morgen ist in Segen für den ganzen Tag. - Henry David Thoreau[/pullquote]

Wenn du am gleichen Tag ein intensives Ausdauertraining vorhast, dann lass' diesen Teil weg.3

Dieser Teil der Morgenroutine ist sehr leicht erklärt: Du suchst dir eine Übung, die den Großteil deiner Muskulatur beansprucht. Du solltest die Übung auch im erschöpften Zustand gut kontrollieren zu können. Rückwärtssaltos z.B. fallen heraus, aber auch Swings für Ungeübte. Hampelmänner wären so eine Übung, Seilchen springen, Gesprungene Halbkniebeugen und ähnliche Übungen. Wer nach draußen will, kann auch schnell eine zweiminütige Runde rennen.

Abschließende Worte

Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ich habe hier die mir lohnenste Möglichkeit beschrieben. Ich will hier noch einmal die Gelegenheit nutzen um auf Folgendes hinzuweisen: Eine solche Morgenroutine ist sehr vielfältig einsetzbar und für jede Lebenssituation anpassbar. Der Zeitaufwand ist klein und der Nutzen sehr groß. Irgendeine Art der morgendliche Routine sollte meiner Meinung nach jeder Mensch durchführen.

Fragen

  • Wie lange brauchst du morgens um in Fahrt zu kommen?
  • Wie viel musst du dich vor intensiveren Belastungen aufwärmen?

Bilder

Photo Credit: Tambako the Jaguar via Compfight cc


  1. In extrem vielen Fällen sind die Defizite so desolat, dass eine Sekunde (!) reicht um 2/3 des Befundes zu stellen. Der Rest sind dann meist noch Details. Viele sind auch schon so geschwächt, dass ich mich auf sehr wenig Dinge konzentriere um diese erstmal zu fixieren. Wie immer suche ich nach dem besten nächsten Schritt. 

  2. Kelly Starrett - Supple Leopard | London Real https://www.youtube.com/watch?v=4CswJaWfFeA 

  3. Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Man kann dies zusätzlich zum sonstigen Training machen, solange man ausreichend regeneriert. Mehrfach tägliches Training ist korrekt ausgeführt, für sehr viele machbar. Besonders für diejenigen, die den restlichen Tag sitzend verbringen.