Mein Fastentag - DeepWork, Überdosis Kaffee, Reprogrammierung des Gehirns

Zusammenfassung: ImprovedMind. Was heißt das eigentlich? Eins der drei Grundelemente von ME-Improved steht auf drei Säulen: Reflexion, Meditation und Flow. Diese müssen genauso wie Ernährung, Fasten, Bewegung und Mobilität in den Lebenswandel integriert werden. Mein Fastentag dient als Beispiel für diese Integration.

Konzentration-Achtsamkeit

ImprovedMind - Ein sehr kleiner Überblick

Ich habe lange nichts mehr über meine persönliche Anwendung der Prinzipien von ME-Improved geschrieben, weil ich mich in der letzten Zeit vor allem mit den Abteilungen Kognition und Ruhe, insbesondere aber der Kognition beschäftigt habe. Auf dem YouTube-Kanal habe ich endlich meinen jetzigen Stand zum Gesamtprojekt von ME-Improved präsentieren können.

ImprovedMind ist ein Konzept, das sich vor allem auf die mentalen Zustände richtet. Es geht also weniger um die mentalen Inhalte.

Mentale Zustände bezeichnen die Art, wie unser Geist mit Inhalten umgeht. Wir haben beispielsweise Gefühle und sind gereizt, erfreut, beruhigt und so weiter. Wir haben aber auch andere Modi. Der mentale Zustand der Konzentration ist kein Gefühl im eigentlichen Sinne. Wenn wir unseren Blick nach innen richten, können wir jedoch feststellen, dass Konzentriertsein sich auf eine ganz spezielle Weise anfühlt.

Mentale Inhalte sind mehr oder weniger Gedanken. Es sind Glaubenssätze, die wir gerade aktiv und im Bewusstsein halten. Es sind mentale Modelle von Prozessen und Systemteilen, wenn wir eine schwierige Stelle in einem Buch verstehen wollen oder es sind auch einfache Bilder und Vorstellungen, wenn wir an etwas erinnert werden.

Beide treten bis auf wenige Ausnahmen zusammen auf. Wir können keinen Gedanken einfach so haben. Es muss immer eine Weise des Denkens selbst geben, denn es muss immer einen Denker geben. Der Gedanke ist immer im Geist oder im Gehirn.

ImprovedMind steht auf drei Säulen:

  1. Reflexion: Geist in der Vergangenheit.
  2. Meditation: Geist in der Gegenwart.
  3. Flow: Geist in der Zukunft.

Methoden und Techniken, die Art und Weise des Geistes mit mentalen Inhalten zu arbeiten, fallen gewöhnlich in eine der drei Kategorien. Behalten wir dies im Hinterkopf, um einen Fastentag zu gestalten, der Gesundheit, Philosophie, Spiritualität und Produktivität miteinander verbindet.

Elemente meines Fastentags

Zur Analyse unterteilen wir unsere Überlegungen in Domänen. Es wären noch mehr Domänen wie z.B. soziales Leben möglich, doch ich habe an dieser Stelle nur folgende berücksichtigt:

  1. Physiologie
  2. Produktivität
  3. Spiritualität

1. Physiologie

Ich faste ca. 24h (zwischen 22 und 26 Stunden, je nach Zeitpunkt meiner letzten Abendmahlzeit). Ich trainiere dadurch meinen Fettstoffwechsel, gebe meinem Körper die Gelegenheit wichtige Instandhaltungsmaßnahmen vorzunehmen, sensibilisiere mich für Insulin und andere anabole Hormone, aktiviere verschiedenste Stressgene, welche die Widerstandsfähigkeit meiner Zellen verbessern, und vieles mehr.

Es ist gleichzeitig ein Test für meine metabolische Flexibilität. Kann ich nicht gut fasten, weiß ich, dass meine metabolische Flexibilität gering ist. Wie gut sollte sie sein? Sie sollte so gut sein, dass ich an einem Fastentag 4—6 Stunden schwere, körperliche Arbeit leisten kann, ohne dass meine Leistung einbricht. Außerdem sollte meine Konzentration bis ca. 16—18 Uhr problemlos haltbar sein.

Dieses Fasten werde ich durch eine protein- und fettreiche Mahlzeit beenden.

Wie sieht meine Bewegung für den Tag aus? Ich beginne den Tag mit 15—20 Minuten Mobilitätstraining und mache 1–3 Sätze von 2–3 Übungen, die mir helfen, meinen Trainingsschwerpunkt zu verfolgen. Momentan mache ich beispielsweise Planche Liegestütz und Frontlever Pulls. Anschließend springe ich in die gerade stark gefrorene Eistonne zur Kälteanpassung, weniger lang als sonst, und mache noch unabgetrocknet einige Übungen mit visualisiertem Widerstand draußen. Das Aufwärmen schließe ich dann mit einigen Runden Schattenboxen ab.

Meine Zwischenroutinen an diesem Tag unterscheiden sich von meinen sonstigen Zwischenroutinen. Mein Schwerpunkt liegt stark auf der Mobilität. Ich schwinge im Hang, mache ausgiebige Spinal Waves und in jeder Zwischenroutine einen 30s Kniehebelauf an der frischen Luft auf dem Balkon. Zwischen 13 und 14 Uhr beginne ich mit meiner Trainingseinheit.

Zunächst gehe ich sprinten. Anschließend mache ich Handstandtraining, in dem ich Handstände mit Hangübungen abwechsle. Zum Abschluss mache ich Progressive Loaded Stretching.

Ein kleiner Spaziergang zur nächstgelegenen Bibliothek ist jeden zweiten Fastentag auch noch enthalten. Ansonsten fahre ich überall mit dem Fahrrad hin, was nochmal zusätzliche Bewegung bedeutet - insbesondere bei meinem Fahrstil.

Durch eine neue Aufteilung meiner Woche habe ich jetzt noch die Gelegenheit, mich mit dem Rundholz selbst zu massieren. Dann schließe ich den Tag ab.

Produktivität

An meinen Fastentagen habe ich die längsten ununterbrochenen Arbeitsphasen. Ich kann mich dort tief in ein Thema einarbeiten und arbeite vor allem mit meinem Zettelkasten und Arbeitsabläufen, die mich tief in ein Thema führen. Momentan verarbeite ich beispielsweise meine Lektüre von Antifragile von Nassim Taleb und pflege seine Ideen in meine Abteilungen zu Kälteanpassung, Training, Mobilität, Ethik, Permakultur und viele andere ein.

Ich kann gute Ideen und Gedanken nur produzieren, wenn ich lange, ununterbrochene Zeiträume habe. An diesen Tagen kann ich bis zum Mittag 5000—6000 Worte schreiben.1 Während ich jetzt die Vormittage meiner anderen Tage für das Manuskript von Reflexion und Analyse des Lebenswandels verwende, ist das Basisarbeit für mich, damit ich mein Werk weiterentwickeln kann.

Ein sehr gutes Buch zu diesem Thema ist Deep Work von Cal Newport. Wenn man es aus der Vogelperspektive betrachtet, steht da lediglich drin: Arbeite konzentriert, ohne Unterbrechungen und Ablenkungen. Dann wirst du besser werden, bessere Ergebnisse produzieren und dich sogar besser fühlen. Die Lektüre bietet allerdings eine sehr systematische Zusammenstellung aller Aspekte zu diesem Thema, sodass der Gegenstand klarer wird. Es macht eben einen großen Unterschied, ob man sich viele Artikel in Studien, Zeitschriften und Blogartikeln zusammenliest oder ein systematisch aufbereitetes Werk vorliegen hat.

Das Fasten und die recht kurze Kältesitzung in meiner Tonne verbessern meine Konzentration noch zusätzlich. (Sie haben beispielsweise einen verstärkenden Effekt auf den Katecholaminstoffwechsel, aber in diesem Beitrag wollen wir uns nicht auch noch die Details der physiologischen Seite aufhalsen).

Spiritualität

Mein Denken, das sich in meinem Schreiben niederschlägt, ist nicht einfach nur irgendeine akademische Masturbation. Es ist die aktive Gestaltung meines Lebens. Mein Schreiben und Lesen dient gleichzeitig der Reflexion, denn ich lese nicht des Amüsements wegen. Ich lese, um mich zu bilden, um ein besserer Trainer und Berater zu sein, um mein eigenes Leben zu verbessern und um einen kleinen Schritt weiter auf meinem Weg zu gehen. Ich lese für Inspiration, wahre und tiefe Inspiration, die jeden Bereich meines Lebens durchdringt, von meinem Liebesleben bis hin zu meinen abstraktesten Arbeiten über Ontologie.

Wir haben die Wahl, uns passiv den Vorgaben von Familie, Freunden und der Leitkultur hinzugeben. Gemütlich dumpf kann man sich dahintreiben lassen, oder das Leben aktiv gestalten und jeden Augenblick des Lebens in die Richtung gehen, die wir uns aussuchen.

Das ist das eigentliche Wesen von Spiritualität. Wenn man sich Praktiken wie Yoga, Zen und viele andere ansieht, stellt man schnell fest: Es geht um Verantwortung und Souveränität über sich selbst. Über seinen Körper, über seinen Geist und über seine Seele. Leider sind die bekanntesten Praktiken eine recht homogene Masse. Spiritualität finden wir in Bewegung, wir finden sie in Kunst, in unserer täglichen Arbeit, im Umgang mit unseren Mitmenschen aber auch in unserem Lernen und Forschen. Mein Weg ist ein sehr kognitiver.

Nun haben wir bisher eine recht einfache Gestaltung des Fastentages. Kommen wir nun zu den anspruchsvolleren Elementen.

DeepWork und Konzentration als Gewohnheit

Leider habe ich dafür noch keinen gut klingenden deutschen Namen. Dieser Begriff kommt von Cal Newports gleichnamigen Buch “Deep Work” und meint etwas mehr als lediglich konzentriertes Arbeiten. Man kann auch sehr konzentriert sein und Oberflächliches tun. Nehmen wir zur Illustration zwei Beispiele:

  1. Programmieren ist ein Paradebeispiel für DeepWork. Wenn sich nicht stark konzentriert und nicht alles ausblendet, hat man nicht genügend psychische Energie frei, um entsprechenden Code zu programmieren. Daher ist der sogenannte “Hackmode” auch ein wichtiges Konzept bei leidenschaftlichen Programmierern. Ohne einen hohen Fokus kann man nicht programmieren.
  2. Eine Grundschulklasse unterrichten ist ein Beispiel für sehr anstrengende Arbeit, die viel Konzentration abverlangt, aber gleichzeitig nicht einen hohen Fokus verlangt, viel mehr noch: Ein hoher Fokus würde die Arbeit verschlechtern. Man würde sich beispielsweise nur auf ein Kind konzentrieren oder den Plan für die Stunde und seine Rolle für den Wochenplan verlieren.

Die Tiefe ist nicht etwa die Garantie, dass man auch DeepWork verrichtet. Vielmehr ist sie lediglich die Voraussetzung dafür.

Für ImprovedMind, der dritten Säule von ME-Improved, habe ich die Ergebnisse verschiedenster Werke und Theorien zusammengefasst. Ein Ergebnis sind die DeepWork-Sitzungen, die dazu dienen sollen, die Präferenzen meines Bewusstseins für bestimmte Inhalte zu trainieren. Was heißt das?

Im Bewusstsein haben wir zwei mögliche Zustände:

  1. Unordnung (Entropie).
  2. Ordnung (Negentropie).

Je geordneter das Bewusstsein ist, desto mehr psychische Energie wird frei, denn wir müssen diese nicht für die Ordnung des Bewusstseins einsetzen. Das erreichen wir für gewöhnlich, wenn wir uns konzentrieren. Je weniger Gedanken sich in unser Bewusstsein drängen, desto leichter ist es Ordnung zu halten.

Ein Problem ist, dass unser Gehirn wahrscheinlich Hypothesen über die Informationsstruktur der Umwelt macht. In einem Interview fasst Clifford Nass das Problem zusammen:^1

FLATOW: So they - all because they have been multitasking. They've lost that ability to focus on one thing.

NASS: That's precisely right. Our brains have to be retrained to multitask and our brains, if we do it all the time - brains are remarkably plastic, remarkably adaptable. We train our brains to a new way of thinking. And then when we try to revert our brains back, our brains are plastic but they're not elastic. They don't just snap back into shape. (Meine Hervorhebungen)

Das Gehirn scheint den Arbeitsmodus, in welchem es häufig benutzt wird, standardmäßig einzunehmen. Damit wird Konzentration weniger eine Fertigkeit, die man trainieren muss, sondern vielmehr eine Gewohnheit, die man sich durch Konditionierung aneignet.

Das Gegenteil von Konzentration ist Multitasking. Je mehr man diesen Arbeitsmodus einnimmt, desto weniger konzentriert man sich, obwohl dies natürlich auch anstrengend sein kann. Anstrengung ist aber nicht Konzentration. Das paradoxe Phänomen ist, dass Multitasking schlechter im Multitasking macht.

Ophir et al.2 verglichen Menschen, welche häufig Multitasking betrieben und solche, die dies seltener machten. Dabei stellten sie folgendes fest:

  1. Die Multitasker hatten größere Probleme, sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren. Sie konnten irrelevante Informationen weniger gut unterdrücken.
  2. Sogar bei Tests, welche die Fähigkeit einen Aufgabenwechsel zu vollziehen prüften, schnitten die Multitasker schlechter ab.

Multitasker haben größere Schwierigkeiten Irrelevantes auszublenden [...], können weniger gut unwichtige Inhalte ihres Gedächtnis ignorieren und sind weniger effektiv, irrelevante Aufgaben zu ignorieren (Aufgabenwechsel). Das letzte Ergebnis ist besonders auffällig, wenn man die zentrale Rolle des Aufgabenwechsels beim Multitasking bedenkt.

Man könnte zusammenfassen: Multitasking macht schlechter im Multitasking. Es ist eine Art sich selbst verstärkende Abwärtsspirale der Konzentration und geistigen Leistungsfähigkeit. Das ist nicht nur wichtig für Wissensarbeiter wichtig. Konzentration ist eine der Schlüsselfähigkeiten, um echtes Glück im Leben empfinden zu können.

Daher habe ich meine DeepWork-Sitzungen so gestaltet, dass meine Konzentration in maximale Tiefe führt. Ich rede beispielsweise nicht mit meinem Mitbewohner, auch nicht in den Pausen. Ich habe mich in den letzten Sitzungen so stark fokussiert, dass ich nicht mitbekommen habe, dass er sich lauthals und winkend verabschiedet hat. Es gab nichts in meinem Bewusstsein außer der Gestalt, mit der ich mich beschäftigt hatte. Für mich war er auf einmal weg, was ich erst zwei Stunden später mitbekommen habe.

In diesen Sitzungen löst sich mein Selbst auf und kehrt als komplexere Version wieder zurück, wenn ich meine Sitzung beende. Der Satz klingt kryptisch, du wirst ihn aber verstehen, wenn du das Buch Flow gelesen hast.

Kaffee und DeepWork

Kaffee: Der Rausch ist ein ganz besonderer Zustand. Er verschiebt das Bewusstsein und verschafft so eine Art zweite Subjektivität, auf welche man Zugriff durch Erinnerung haben kann. Man erlebt die Welt auf eine Weise, auf welche man sie vorher nicht erleben konnte.

Der Rausch kann durch Erinnerung das Bewusstsein erweitern, wenn man sich seiner verschobenen Perspektive bewusst ist. Der Rausch muss daher etwas Außergewöhnliches bleiben. Man braucht Zeit, um die neue Perspektive ganz in sich aufzunehmen.

Wenn man sich diese Zeit nicht gibt, verliert der Rausch seine bewusstseinserweiternde Wirkung. Dann überwiegen die Kosten des Rausches:

  1. Ständiger Gebrauch von Drogen ist extrem schädlich für die Willensstärke. Der Dopaminstoffwechsel wird gestört und entsprechend wird die Motivation unterhöhlt.
  2. Durch die Konditionierung auf die angenehme Wirkung von Drogen verarmt das Leben und die Droge rückt als Selbstzweck in den Vordergrund.

....) ich begann mit Würde und gesammeltem Ernst die feierliche Handlung des einsamen Grogtrinkens. - William Quindt, Die Strasse der Elefanten.3

Ein wichtiger Effekt von Stimulantien wie Koffein oder gar Stärkeres wie Ritalin, Adderall und Modafinil ist, dass wir uns motivierter fühlen. Scott Vrecko untersuchte den Einfluss von Stimulantien auf die Gefühle von Studenten.4 In seiner qualitativen Untersuchung sammelte er Aussagen wie:

Everything seems better, and more doable.

When I’m not on it I’m usually pretty relaxed about things. [. . .] When I’m on it it’s like more of a sense of urgency.

It just got to where I felt like if I was staring at something I just couldn’t take my eyes away from it—it made studying more interesting.

You start to feel such a connection to what you’re working on. It’s almost like you fall in love with it—there’s nothing else you’d rather be doing!

Er hat drei Begründungen dafür, dass Stimulantien vielmehr über die Veränderung des emotionalen Zustands als über eine tatsächliche Verbesserung der Kognition wirken:

  1. Es scheint, dass der Effekt der Stimulantien auf die kognitiven Fähigkeiten nicht groß ist.
  2. Es gibt Hinweise darauf, dass der Effekt der Stimulantien davon abhängt, wie gut sie dopaminerge System im Gehirn beeinflussen können. Das dopaminerge System steht in Verbindung mit Aufmerksamkeit aber auch mit Genuss und Gefühlen.
  3. Es ist gut gesichert, dass Stimulantien einen stimmungsaufhellenden Effekt haben.

Beständiger Kaffeekonsum fragmentiert das Gehirn. Er entkoppelt, was gekoppelt sein sollte. Er stört die Motivation und den Willen, indem er die Kopplung von Dopamin und niedrigen Belohnungsreizen aufhebt. Im Extrem können wir das an Abhängigen von schweren Drogen beobachten. Je stärker ein Dopaminreiz ist, desto mehr dreht sich das Leben darum, ob wir das merken oder nicht.

Ohne Kaffee am Morgen können einige Menschen nicht aufstehen. Wer nach dem Verlassen des Betts stundenlang eine Fleppe zieht, zählt nicht als aufgestanden. Kaffee entkoppelt unsere Empfindungen und das Jetzt. Im letzten Beitrag habe ich das Ikigai erwähnt. Im Japanischen könnte man dieses Wort als eine Mischung aus “Sinn des Lebens” und “der Grund Morgens aufzustehen” übersetzen. Selbst so etwas scheinbar harmloses wie Kaffee kann verschleiern, dass wir ein leeres Leben führen. Das führen wir ohne Ikigai.

Daher habe ich einige Regeln für den Genuss von Kaffee als Paradigma für Drogen (ja, Kaffee ist eine Droge) gewählt.

  1. Ich trinke keinen Kaffee, wenn ich müde oder schlecht gelaunt bin. Es gibt gute Gründe für meine Stimmungen und Kaffee soll mich nicht davon entkoppeln. Das ist Selbstentfremdung.
  2. Ich trinke Kaffee genau zwei Mal pro Woche. Mehr führt zu einem armen Kontrast. Die Wirkung von Kaffee soll immer etwas Außergewöhnliches bleiben.
  3. Ich trinke keinen Kaffee, um mein Energielevel zu erhöhen. Das schließt an den ersten Punkt an. Aber ich trinke Kaffee auch nicht, um mich von hohem zu sehr hohem Energielevel zu bringen. Das ist die Versuchung des Kaffeetrinkens und diesen Grund will ich ausschließen.
  4. Ich trinke keinen Kaffee, wenn ich nicht den ganzen Tag für mich habe.

Fokus als Lebenswandel

Wenn es jetzt nur darum ginge, dass ich high durch den Kaffee interessante Wissensarbeit mache, wäre dies nicht nur langweilig, sondern auch kein Thema für diesen Blog. Um die Relevanz zu verstehen, vergleichen wir diese Sitzungen mit dem Verhältnis von metabolischem Training und der metabolischen Flexibilität.

Wenn wir unsere metabolische Flexibilität erhöhen wollen, reicht es nicht aus, wenn wir lediglich unsere Ernährung ändern. Unsere metabolische Flexibilität hängt zu einem ganz großen Anteil davon ab, wie unsere Mitochondrien arbeiten. Daher stellen Forscher fest, dass wir unsere metabolische Flexibilität nur durch Training verbessern können.

Wir haben verschiedene Möglichkeiten dieses Training zu gestalten, aber im Wesentlichen haben wir Kälte und Ausdauertraining als die wichtigsten Aktivatoren für die mitochondriale Biogenese.

Wenn wir metabolisches Training machen, in diesem Beispiel sind es Ausdauer- und Kältetraining, verbessern wir unsere metabolische Flexibilität. Das hat aber nicht nur zur Folge, dass wir besser mit Ausdauer- und Kältebelastungen zurecht kommen. Unsere Fastenfähigkeit verbessert sich, wir senken das Bedürfnis, Zwischenmahlzeiten zu uns zu nehmen und vieles mehr. Während wir in kurzen intensiven Einheiten unsere mitochondriale Gesundheit verbessern, können wir die Vorteile während des restlichen Lebens ebenfalls genießen.

Ebenso verhält es sich mit dem Training der Konzentrationsfähigkeit und der Ordnung im Bewusstsein des Lebens allgemein. Man wird nicht nur besser darin, sich zu konzentrieren, wenn man eine anstrengende Aufgabe absolviert. Ordnung im Bewusstsein wird zum Way of Life. Das führt zu einem widerstandsfähigen Gefühl von Glück, einer größeren psychischen Belastbarkeit und einer besseren Konzentration auf das, was wirklich wichtig ist.

Ein großer Teil der mentalen Arbeit zielt darauf ab, die Fähigkeit zu trainieren, Ordnung im Bewusstsein aufrecht zu erhalten. Das ist das gemeinsame Element von Psychoanalyse, Meditation, Konzentrationsarbeit und Reflexion. Durch Ordnung im Bewusstsein werden die psychischen Energien frei, die vormals durch das Chaos gebunden waren.

Diese Ordnung zieht sich durch alle Lebensbereiche und auch durch die Bereiche, mit denen man stark zu kämpfen hat. Nadja hat mit ihrem Beitrag Sucht als Strategie zur Schmerzvermeidung einen ganz wichtigen Nagel auf den Kopf getroffen. Die Frage ist, warum manche Menschen eigentlich zu bestimmten Suchtmitteln greifen. Alles läuft auf die Ordnung im Bewusstsein zusammen (lest euch auch die Kommentare durch), was sich in Experimenten wie dem sogenannten Rat Park zeigen lässt. Viele Menschen leben einem Zustand der permanenten Unordnung im Bewusstsein. Deswegen muss ich in meiner Arbeit mit meinem Klienten diesen Aspekt ganz zentral berücksichtigen. Das Muster ist immer gleich: Wenn wir in der Zusammenarbeit die Ordnung im Bewusstsein erhöhen, verbessert sich das Leben in jeder Hinsicht. Wenn wir das nicht schaffen (ich bin kein Wunderheiler), verläuft der Prozess schleppend und mühselig.

Daher empfehle ich das Buch Deep Work ganz dringend und gerade auch für die Anwendung außerhalb der Welt der Wissensarbeit. Ordnung im Bewusstsein zu schaffen läuft auf zwei Fronten:

  1. Faktoren verstärken, die das Bewusstsein ordnen, vor allem aber auch die Fähigkeit, das Bewusstsein in Ordnung zu halten verbessern. Das sind Meditation, kreative Hobbies, Tagebuch schreiben, Wissensarbeit, handwerkliche Arbeit und viele mehr.
  2. Faktoren schwächen und möglichst eliminieren, die das Bewusstsein in Unordnung bringen. Das sind SocialMedia, Smartphonegebrauch, Klatsch und Tratsch, Unaufrichtigkeit, Unsicherheit und Ähnliches.

Das Buch von Cal Newport liefert dafür einen hervorragenden Überblick.

Abschließende Worte

Das Leben ist dann ein gutes Leben, wenn es ein kohärentes Ganzes bildet. Diese Ordnung muss sich im Bewusstsein widerspiegeln.

Ist es nicht seltsam, dass ich Worte wie Rausch, heilig und Selbstentfremdung im Kontext von Kaffee nenne? Kaum jemandem würden die Worte seltsam vorkommen, wenn ich von Ayuasca oder Kokain sprechen würde. Doch Kaffee ist trivialisiert. Es ist einfach, was wir machen. Wo ist nochmal der Unterschied zwischen Kaffee und Ritalin? Nur in der Stärke aber nicht im Prinzip.

Warum kommst du nicht von Fastfood und Naschereien weg? Vielleicht fehlt es dir an Ordnung im Bewusstsein.

Weiterführende Lektüre

  1. Flow von Mihály Csíkszentmihályi
  2. Deep Work von Cal Newport
  3. The Art of Learning von Josh Waitzskin
  4. Digitale Demenz von Manfred Spitzer

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  2. Eyal Ophir, Clifford Nass, and Anthony D Wagner (2009): Cognitive control in media multitaskers, Proc Natl Acad Sci U S A 37, 2009, Vol. 106, S. 15583-7. abstrakt 

  3. William Quindt (1997): Die Strasse der Elefanten, Hamburg: Rasch und Röhrig. S. 19. Auf Amazon ansehen 

  4. Vrecko, S. (2013). Just How Cognitive Is "Cognitive Enhancement"? On the Significance of Emotions in University Students' Experiences with Study Drugs. AJOB Neurosci, 4(1), 4-12. Abstrakt