Das Leben fragt uns nach dem Sinn - und nach einem Trainingsplan

Mein Vertrauen in mein Training ist beschädigt.

Früher hatte ich den kompletten Tag unter einer Kontrolle. Er war durchkomponiert wie ein Musikstück. Er war mein Kloster. Mein Leben war nur auf einen einzigen Zweck ausgerichtet: Die Frage „Was ist das gute Leben in der Moderne?“ Früher hätte ich genau in diesem Moment eine auf mein restliches Training und Leben abgestimmte Zwischenroutine gemacht. Auf meinem Bildschirm erschien die Aufforderung „Move!“ und ich wäre sofort aufgestanden. Ich hätte Fertigkeiten wie den Handstand geübt, mich mobilisiert und meinen Kreislauf in Schwung gebracht. Ich konnte einfach sehr viel trainieren.

In diesem Augenblick stehe ich vor meinem Schreibtisch. Mein Laptop steht auf einer Kiste, sodass ich tanzend arbeiten kann. Ich tanze zu Wikingermusik. Ich tanze, denn das beruhigt meine Tochter Valeria, die vor mir im Tuch hängt. Sie ist unruhig. Immer wieder muss ich sie beruhigen, was mich von meiner Arbeit ablenkt. Ich bin konstant in Bewegung, was die Zwischenroutinen vom Standpunkt der Arbeitsergonomie weitgehend überflüssig macht. Es verhindert aber die Möglichkeit, dass ich meine Zwischenroutinen für mein Training benutze.

Ich habe das Klosterleben für das Leben eines Familienvaters geopfert. Die Antwort auf die Frage, was das gute Leben in der Moderne ist, muss ich nun anders beantworten. Nicht als Mönch, der nach 10 Jahren in der einsamen Höhle zurückkehrt und eine Weisheit verkündet, die von den Menschen, auf die es ankommt, noch verstanden (das heißt umgesetzt) werden muss. Jetzt bin ich auch ein Mensch, auf den es ankommt, verantwortlich für einen Menschen, dem ich eine bessere Welt übergeben muss, als ich sie vorgefunden habe.

Die Frage, die ich beantworten muss, ist nicht, ob ich mein Training für meine Tochter und meine Frau opfere. Die Frage ist, wie ich das tue. Mein Training ist von einer Methode der Selbstentwicklung in eine einfache Instandhaltungsmethode verwandelt. Ich kann mich nicht mehr mit Gasmaske und Selbsthypnose in die Anderswelt befördern, weil ich dann Stunden und Tage brauche, bis ich wieder voll einsatzfähig bin. Ich kann nicht mehr bedingungslos alles ignorieren, wenn ich trainiere, denn nun muss ich für meine Frau zwischen zwei Sätzen kochen.

Ich muss ein neues Vertrauen in ein Training aufzubauen, dass mir fast wie Faulenzen vorkommt. Ich habe weder die Zeit für ein hohes Trainingsvolumen, noch für extreme Trainingsmethoden, die ebenfalls viel Zeit in Form von Erholung erfordern.

Doch es steht für mich nicht zur Debatte, dass ich „ziemlich fit“ bleibe. Das ist nicht genug. Das ist die selbstzufriedene Denke des modernen Hedonisten. Er versteckt sich bloß im Gewand des „bewussten Lebenswandels“. Die als dekadent verstandene Normalität ein klein wenig zu übertreffen, ist einem solchen Menschen Genuss genug. Das ist Sklavenmoral: Die Selbstdefinition als „gut“, durch den Bezug auf das, was man als dominant erlebt. Nicht nur um meiner selbst willen, muss ich wesentlich fitter sein, als ein mildes Übertreffen des modernen Menschen. Meine Tochter soll ihre Kindheit mit einem starken Vater verbringen. Wenn sie sagt, ihr Vater sei der Stärkste, soll sie dies mit gutem Grund sagen und nicht nur aus kindlicher Verblendung. Das Leben eines Mannes ist nur dann gut gelebt, wenn seine Kinder aus gutem Grund zu ihm aufblicken. Die Bewunderung des Kindes ist ein Stück weit geschenkt, weil man für lange Zeit klüger, weiser, geschickter und stärker ist. *Man muss sich solcher Geschenke würdig erweisen.*

Es ist keinesfalls nötig, die obigen Gedanken hinter einer jeden Entscheidung auszubuchstabieren, wie ich es getan habe. Es reicht völlig aus, wenn man sich einfach nur denkt: „Meine Tochter soll keinen Lutschervater haben.“ Für alles andere sorgt der große Chef da oben. Wenn ich die Lasten, Wiederholungs- und Satzzahlen meines Krafttrainings ausrechne, denke ich nicht „Diese Reizkonfiguration ist für meine Tochter. Durch das Prisma dieses Trainingsplans, erstrahlt die göttliche Energie und segnet meine Tochter.“ Ich plane einfach mein Training.

Ich versuche lediglich die spirituelle Grundstruktur des Lebens offenzulegen. Dabei verdeutliche ich, was im Hintergrund passiert, wenn man Entscheidungen trifft. Das ist leider nötig, denn wir leben in der Moderne. Sinn und Spiritualität sind selten geworden. Selbst kleinste Mengen müssen wie Kostbarkeiten behandelt werden.

Noch einmal einfach gesagt: Wie kann ich das Leben als Lebenswandelmönch zurücklassen und nun als Vater die Lektionen mitnehmen, die ich gelernt habe?

Wochenplan

Vorbemerkung: Wer meine vergangenen Trainingspläne verfolgt, wird vieles von meinem Grundschema wiedererkennen. Diese Dreiteilung der Woche wird mich wahrscheinlich noch lange Zeit begleiten: Zwei gleiche dreitägige Arbeitsblöcke und den Sonntag als Pause.

Tag Morgens Mittags
Montag Kraft Arbeitskapazität
Dienstag Kraft Arbeitskapazität
Mittwoch Mobilität Sprint/Wurf
Donnerstag Kraft Arbeitskapazität
Freitag Kraft Arbeitskapazität
Samstag Mobilität Sprint/Wurf

Krafttraining

Weil ich gerade kein Vertrauen in mein Training empfinde, werde ich auf zu viel Autoregulation verzichten. Stattdessen werde ich mich an die Prilepintabelle halten.1

Intensität Wdh./Satz Gesamtwiederholungen Volumensgrenzen
70%1RM 3-6 18 12-20
80%1RM 2-4 15 10-20
90%1RM 1-2 7-10 4-10

Mein Krafttraining werde ich morgens durchführen und sieht so aus:

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag
Schulterdrücken 5x2-3x80% 5x4-5x70%
Klimmzüge, Hammer 5x2-3x80% 5x4-5x70%
Pistols, Box 5x2-3x80% 5x4-5x70%
Dips, Ringe 5x2-3x80% 5x4-5x70%
Klimmzüge, Obergr. 5x2-3x80% 5x4-5x70%
Kreuzheben, Bulg. 5x2-3x80% 5x4-5x70%*

*mit gestreckten Beinen

Krafttraining ist der letzte Teil meiner Morgenroutine:

  1. 10min Meditation, eingeleitet durch einen Zyklus Wim Hof Atmung.
  2. Kalte Dusche (2-5 Minuten)
  3. Krafttraining

Anschließend gehe ich eine Runde mit meinem Hund raus.

Arbeitskapazität und Ausdauer

Ich werde 2-3 Übungen im Wechsel bzw. Zirkel durchführen.

Einheiten können so aussehen:

Position Übung Wiederholung/Strecke/Zeit
A1 Echsengang 12m
A2 Ausfallschritgehen 20x
A3 Schulterwurf mit MedBall 12x
Position Übung Wiederholung/Strecke/Zeit
A1 KH-Reißen 5+5
A2 Liegestütz, versetzt 10
A3 Rudern, Ringe 10
Position Übung Wiederholung/Strecke/Zeit
A1 Treppensprünge 5
A2 MedBall Slams 5
Position Übung Wiederholung/Strecke/Zeit
A1 Farmer's Walk 15m
A2 Cat2Crab 20

Gewöhnlich stelle ich den Timer auf 20-30 Minuten und fange direkt an.

Sprint/Wurf

Ich sprinte unterschiedliche Strecken für 15-20 Minuten. Anschließend werfe ich den Medizinball für ca. 10 Minuten in unterschiedlichen Variationen.

Mobilität

Eine Mobilitätseinheit kann zum Beispiel so aussehen:

Pos. Übung
A1 Der langsame Strauß
A2 Knieender Diagonal Stretch
A3 Windmühle
A4 Alternierender 90-90
A5 Swivelhips
A6 Around the World 2,5kg
A7 Ausschultern
3x 45s Belastung, 15s Pause

Was kannst Du mitnehmen?

  1. In jedem Training steckt immer eine Weise des Lebens. Ich bin jetzt Vater und verwandle mich mehr und mehr in einen Bären. Mein Training bereitet meine baldige Phase meiner persönlichen Variante des “Functional Strongman” vor. Volumen schafft Vertrauen. Früher habe ich mich auf ein hohes Trainingsvolumen verlassen. Nun muss mein Vertrauen in mein Training neu aufbauen, weil ich im Vergleich zu früher nur noch einen Bruchteil der Zeit trainiere. Überleg Dir, was das Leben von Dir verlangt2 und wie Du die Antwort auch durch Dein Training geben kannst.
  2. Wenn Du den Trainingsplan übernehmen, aber nur einmal pro Tag trainieren willst, kannst Du das Krafttraining und das Training der Arbeitskapazität zusammenlegen.
  3. Was Du Dir noch nicht abschauen kannst, ist mein Ergänzungstraining. Ich habe noch nicht entschieden, ob ich Rumpf, Hände, Beinbeuger usw. morgens oder mittags trainiere. Das kommt noch.

  1. Prilepins Tabelle kenne ich aus Laputin/Oleshko Managing the Training of Weightlifters. Sie ist vielfach bewährt und sehr viele gute Trainer kommen immer wieder auf sie zurück. Allerdings habe ich mir damals nur die Originaltabelle aus dem Buch notiert, weshalb die vollständige Angabe und die Auseinandersetzungen mit anderen Versionen (wie Vorgaben unter 70%) fehlen. 

  2. Viktor Frankl ...18 ...sterscheinung: 1946)): ... Trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, Pößneck: Penguin Verlag. S. 117.