Der Preis, um an den Schreibtisch zu gehen: Mobilität

Anstatt uns direkt an den Schreibtisch zu setzen, erkaufen wir uns das Sitzen durch eine Startroutine: Wir dürfen nur an den Schreibtisch, wenn wir den Preis bezahlt haben: Ein Minitraining. Der nette Nebeneffekt ist, dass wir ein Anfangsritual haben. Damit begegnen wir dem Problem des Anfangens und schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir befolgen den Rat vieler Schreibender die Arbeit am Schreibtisch durch Routinen zu disziplinieren und arbeiten gleichzeitig für unsere Mobilität.

Meine persönliche Mobilitätsroutine (2020-06-17) geht wie folgt:

A1 Ausschultern, 10x
A2 Jeffersoncurl, einbeinig 10x
A3 Good Mornings, breitbeinig 10x
A4 Good Mornings, 90-90 10x
A5 Diagonalstretch, 10x

Sie dauert insgesamt zwischen 8 und 10min. Ich mache nur je einen Satz mit 10, manchmal 12, Wiederholungen. Dieses Trainingsvolumen reicht für mich aus, um leichte Fortschritte zu machen. Diese Routine mache ich, nachdem ich bereits ca. 45min mit meinem Hund spazieren war.

Häufig reicht dieses minimale Programm bei täglicher Ausführung schon aus, um für eine moderate Grundmobilität zu sorgen.

Mein Eindruck ist, dass ich aber auch mittelfristig-akute Vorteile durch diese Eintrittskarte habe. Ich habe nicht nur das Gefühl wacher und konzentrierter bei der Arbeit zu sein, sondern auch den Eindruck, dass die akuten und chronischen Effekte des Sitzen gleichermaßen spürbar geringer sind. Habe ich meinen Arbeitstag so begonnen, spüre ich wesentlich weniger akute Einschränkungen in meiner Mobilität. Habe ich diese Routine lange befolgt, merke ich auch an Tagen, an denen ich die Routine nicht durchführe (Sonntags beispielsweise), dass ich mobiler bin. Der letztere Effekt ist natürlich nicht davon zu trennen, dass ich in dieser Routine Dehnen unter Last gewählt habe. Beim passiven Dehnen gäbe es eventuell geringere Effekte.

Meine Maßgaben für diese Eintrittskarte sind:

  1. Halte den Zeitaufwand gering: Weniger als 15 Minuten sollten es sein. 10 Minuten sind besser. Bei mehr Zeit lässt sich diese Eintrittskarte nicht mehr so gut als "kurz mal vorher" einordnen. Das ist aber, was wir anstreben. Damit ist die Anfangshürde gering genug und die Eintrittskarte gewinnt nicht den Charakter eines eigenen Zeitabschnitts wie ein Mikrokosmos.
  2. Wähle Übungen so aus, dass du einen, wenn auch geringen, Trainingsreiz setzen kannst. Dehnen unter Last oder ballistisches Dehnen sind besser als beispielsweise passives Dehnen oder PNF-Methoden, weil sie auf Wiederholungsbasis erlauben, dass man die Routine abarbeiten kann. Das hilft ebenfalls, dass die Routine etwas ist, das erledigt wird, und nicht etwa ein eigener Zeitabschnitt.
  3. Bearbeite den ganzen Körper.
  4. Passe ein Mobilitätsprogramm an. Wenn du Dehnen unter Last betreibst, reduziere die Anzahl der Sätze am gleichen Tag um 1--2.
  5. Wähle die Übungen für die Eintrittskarte Mobilität so aus, dass sie zu deiner Mobilitätsroutine passt. Wenn du bereits Dehnen unter Last betreibst, wähle lieber ballistisches Dehnen, um deine Bewegungsvielfalt zu erhöhen.
  6. Wähle keine Übungen oder Übungskombinationen, die mit einem hohen bis sehr hohen Schmerz verbunden sind. Anforderung an die Eintrittskarte ist, dass du mit einer niedrigen Hürde einen minimalen Trainingsreiz setzt. Hohe bis sehr hohe Schmerzen bedeuten eine hohe mentale Hürde, was es nur wenigen Menschen erlauben würde, eine langfristige Gewohnheit aufzubauen.