Die Entwicklung des Basisprotokolls: Bewegung

Vorbemerkung: Ich musste das Kältetraining in der Eistonne für diesen Winter beenden, weil die Tonne immer mal wieder zugefroren ist. Diese steht auf dem Balkon und das ist per Luftlinie ca. 50 cm von den Köpfen meiner Frau und meiner Tochter entfernt. Also dusche ich morgens kalt. Ich aktualisiere den Artikel aber nicht, um den Gedanken nicht zu verwässern.

Mein altes Trainingssystem (frühe Versionen sind in Form eines Beispieltags und einer Wochenplanung veröffentlicht) war darauf ausgerichtet, ein möglichst großes Fundament aufzubauen. Also eine allgemeine Fitness.

Damals war meine Gesundheit ein Zubringer für meine Leistungsfähigkeit, einer unter vielen Faktoren, die ich berücksichtigen musste. Heute ist es umgekehrt: Meine Leistungsfähigkeit ist lediglich im Rahmen meiner allgemeinen Gesundheit relevant. Das ist umständlich zu erklären, weshalb ich mir dies für einen anderen Blogpost aufheben werde.

Als ich mal rückblickend auf meine damaligen Leistungen geschaut habe, war ich positiv überrascht:

Ausdauer:

  • Ruhepuls von 40 bis 42 (aktuell 48–50), was einer VO2max 67–72 ml/kg/min entspricht (ich habe niemals direkt getestet).
  • Ich habe C2-Rudern mit folgendem Protokoll gemacht: 20 × 100 Meter, 90 Sekunden Pause, jedes Intervall unter 14,0. Ich könnte 500s in 1:20 mit geschlossenem Mund rudern. Ich bin ziemlich sicher, dass ich 2 km in unter 6 Minuten rudern konnte (der aktuelle Weltrekord liegt bei 5:36,6). Das war nach 6 oder 12 Monaten Rudern (ich kann mich nicht genau erinnern).
  • Auf dem Arc-Trainer konnte ich bei höchstem Widerstand und Amplitude 46 oder 47 30-Sekunden-Intervalle mit 30 Sekunden Pause bei mindestens 2400 oder 2700 (welche Einheit?) erreichen. Das ist recht kurz davor, dass das Gerät einfach „Maximale Geschwindigkeit“ anzeigt.
  • Leider habe ich nie an langen Ausdauerwettkämpfen teilgenommen (und werde es wahrscheinlich auch nie tun). Ich bin 1,93 m groß und wiege 108 Kilogramm. Außerdem bin ich fast 40. Für lange Ausdauerbelastungen habe ich keine Zeit und ich müsste mein Training auch komplett darauf einstellen.

Kraft:

  • 1RM Klimmzug (enger Hammergriff): 85 Kilo Zusatzgewicht bei einem Körpergewicht von 108 Kilo.
  • 1RM Dips: 101,25 Kilo Zusatzgewicht bei einem Körpergewicht von 100 kg (Ich habe geschummelt → nachdem ich 10 kg wegen einer Lebensmittelvergiftung verloren hatte, habe ich mein Ziel realisiert, mein Körpergewicht bei den Dips anzuhängen)
  • 1RM Kreuzheben: 240 Kilo (nichts Besonderes!)
  • 1RM Kniebeugen: 180 Kilo (das ist peinlich). Ich habe nie herausgefunden, warum meine Kniebeugen so schwach waren, obwohl ich eine hohe Explosivkraft im Unterkörper habe.
  • Plank mit 135 Kilo Zusatzgewicht für 40 Sekunden (mein Freund konnte nicht mehr Gewicht in den Rucksack packen, während ich auf dem Rücken stand)

Kraft und Ausdauer

  • Obwohl ich sehr groß und schwer bin, konnte ich eine Stunde lang am Stück Treppensprünge machen (und danach noch eine weitere Stunde trainieren)
  • 100 Burpees in unter 6 Minuten (nicht gut, aber in Ordnung)
  • Ich konnte eine Stunde lang ohne Anzeichen von Verlangsamung ringen oder 3 Stunden lang BJJ machen (beides nicht als Vollgas, sondern nur Training, während meine Trainingspartner sich abwechseln)
  • Interessanterweise war meine boxspezifische Ausdauer schlechter als meine Ausdauer beim Grappling.

Fazit: Alles in allem sind das im Nachhinein Anzeichen einer recht ordentlichen Fitness.

Eine der wesentlichen Besonderheiten meines alten Trainingsprogramms war, dass ich kein niederintensives Ausdauertraining absolviert habe. Auf Deutsch wäre das Grundlagenausdauertraining und auf Englisch Zone 2 Cardio. Dennoch hatte ich eine sehr hohe Grundlagenausdauer. Mein „Geheimnis“ ist, dass ich die Anpassungen (z. B. Kapillarisierung oder Training der Mitochondrien) auf unterschiedliche Trainingsinhalte verteilt habe und dabei auch das Trainingstiming eine Rolle spielte. Außerdem habe ich zum Beispiel eine zyklische ketogene Ernährung mit Intervalltraining kombiniert, Train Low praktiziert und so weiter. Dazu gehört ein Management der muskulären Glykogenspeicher und vieles mehr.

Das kann ich heute nicht mehr machen, weil es eine hohe Kontrolle über den Lebenswandel erfordert. Unter meinen jetzigen Lebensumständen habe ich diese nicht mehr.

Aber ich bin dabei, ein neues Trainingsprogramm zu entwickeln, was die Erkenntnisse und Stärken meines alten Trainingsprogramms berücksichtigt, aber flexibler ist und auch das veränderte Ziel (Gesundheitsspanne anstatt Leistung) im Blick hat. Es wird meine Version von Peter Attias Trainingsprinzip sein, das er beispielsweise in seinem Buch Outlive vorstellt.

Ein für mich interessanter Gedanke ist, dass es wahrscheinlich das letzte Trainingsprogramm sein wird, das ich noch selbst leben werde. Danach werde ich wahrscheinlich zu alt sein, um noch ein Trainingsprogramm auf diese Weise zu entwickeln. Auch das gehört übrigens dazu, seinen Frieden mit Sterblichkeit und dem Tod zu machen.

Der Ausdauerreiz in meinem Training

Oben habe ich geschrieben, dass in meinem alten Training die einzelnen Anpassungen, die man mit einem Grundlagenausdauertraining erreichen will, über unterschiedliche Trainingseinheiten verteilt war. Das ist eines der wichtigen Prinzipien, die ich von Alex Viadas Hybrid Training gelernt habe. Es gibt so einige Schwächen von vielen allgemeinen Trainingsprinzipien:

  1. Eine zu starke Fokussierung auf die jeweiligen Trainingsmethoden der Spezialisten mit zu wenig Anpassungen auf den Kontext. Ausdauerathleten haben ein hohes Trainingsvolumen und nutzen Tempoläufe und bestimmte Formen des Intervalltrainings. Doch wenn ich noch viele andere Trainingsinhalte habe, kann ich nicht einfach das übertragen, was sie übertragen. Das ist meiner Meinung nach auch eine der Schwächen von Peter Attias Ansatz der Verteilung der Ausdauer. Er sagt, dass er die Zeit, die seine Klienten für das Ausdauertraining bereitstellen, nach 80/20 aufteilt: 80 Prozent der Zeit geht in Zone 2 und der Rest in intensive Trainingsmethoden. Doch in vielen Fällen ist es nicht die beste Nutzung der Zeit. (Ich bin mir sicher, dass er das nicht so stumpf praktiziert, weil Attia ein sehr kluger Mensch ist. Ich nutze diese Aussage, um meinen Punkt zu illustrieren.)
  2. Zu wenig Ausnutzung von verteilter Trainingsreizsetzung. Einer der Trainingsreize durch ein langes Ausdauertraining liegt im Trainingsvolumen und daran, dass man gewissermaßen im Zeitraffer Fasten imitiert. Wenn ich ein hohes Trainingsvolumen in einem Fastenfenster unterbringen kann, habe ich bereits einen Teil des Reizes abgedeckt. Die Lücke dieser Denkweise ist, dass für einen bestimmten Reiz mehrere Aspekte zusammenkommen. Es ist nicht ganz zu einfach, dafür steckt aber viel Potenzial in der verteilten Reizsetzung.
  3. Zu kleiner Horizont ungewöhnlicher Trainingsmethoden. Wieder einmal muss man Tim Ferriss dafür danken, dass er ungewöhnliche Trainingsmethoden popularisiert hat und auch neue Denkweisen über das Training akzeptabel gemacht hat. Auf YouTube habe ich Dan John in einem Kommentar mein aktuelles Experiment beschrieben und er fand es witzig, weil vor 20 Jahren einige Leute etwas Ähnliches ausprobiert haben (Mini-Einheiten mit Swings über den Tag verteilt).

Nach dieser Einleitung, hier eine kleine Liste der unterschiedlichen Weisen der Reizsetzung in meinem aktuellen Trainingsplan.

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag
Morgen Eisbad Eisbad Eisbad Eisbad Eisbad Eisbad
Zone 2, <30min Zone 2, <30min Zone 2, <30min Zone 2, <30min Zone 2, <30min Zone 2, <30min
Kraft Kraft Mobilität Kraft Kraft Mobilität
Vormittag Mini-Trainings Mini-Trainings Mini-Trainings Mini-Trainings Mini-Trainings Mini-Trainings
Mittag Intervall/Zirkel Stabilität Sprint Intervall/Zirkel Stabilität Sprint
Sprung Wurf

Direkte Reize:

  1. 6 × 10–20 Minuten Eisbad.
  2. 6 × 30 Minuten Zone 2.
  3. 4 × 30 Minuten Krafttraining mit Startintervallen
  4. Stabilitäts- und Mobilitätstraining als Zirkel
  5. Minitrainings/Zwischenroutinen über den Tag verteilt. (z. B. Progression einarmigen Klimmzugs, einarmige Liegestütz, 5x Kugelhantelreißen pro Seite, 5x Umsetzen und Schwungdrücken, 50 Hand 2 Hand Swings)
  6. Hypertrophietraining als Zirkeltraining
  7. Sprint, Wurf und Sprung entweder in Startintervallen oder als kontinuierliches Training. (zum Beispiel 10 Minuten Treppensprünge)
  8. Spazieren mit meinem Hund
  9. 1x/Woche Wandern (2–3 Stunden)

Indirekte Reize (Beispiele)

  • Positionierung des Krafttrainings nach dem Ausdauertraining. (Verstärkt den Ausdauerreiz. Beispielstudie)
  • Kältetraining vor dem Ausdauertraining (Beispiel)
  • Hypertrophie im Zirkeltraining als Train Low (Beispielreview)

An meinem Wochenplan ist leicht zu erkennen, dass mein Ausdauertraining nicht gerade den Empfehlungen entspricht. Meine Laufrunden sind zu kurz, es fehlen beispielsweise die langen Intervalle (vgl. diese Meta-Analyse) und so weiter.

Doch meine These ist, dass ich trotzdem meine Ausdauer auf ein hohes Niveau bringen kann, weil ich die Puzzleteile, von denen Peter Attia schon einige gesammelt hat, clever(er) zusammensetze.

Viele lose Puzzleteile

Es gibt noch viele obskure Teile des Puzzles, die ich noch nicht verstehe. Es gibt beispielsweise ein deklassifiziertes Paper, das an Ratten feststellt, dass Kälte eine Verschiebung des Faserspektrums von I nach II auslösen kann. Das geht genau gegen meine Intuition und mein Verständnis davon, wie der Kältereiz funktioniert.

Auch: Ich suche nach einem guten Kompromiss, was meine Zwischenroutinen und meine Arbeit am Schreibtisch angeht. Wie gut kann ich beispielsweise die allmähliche Deaktivierung des LPP1/PAP2A-Gens durch Inaktivität 1 verhindern? Die Zwischenroutinen dürfen natürlich nicht so frequent sein, dass ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren kann. Hochfrequente Zwischenroutinen laden auch meine Tochter ein, was sich auch nicht gerade förderlich auf meine Arbeitsleistung auswirkt.

Andere Aspekte

Ich habe mich in diesem Beitrag vor allem auf die Ausdauer konzentriert. Aber ähnliche Überlegungen stelle ich in Bezug auf Kraft, Mobilität, Stabilität, Athletik und so weiter an. Es gilt immer noch mein Paradigma, dass der Kern oder das Fundament die allgemeine Fitness ist.

Abschließende Worte: Was ist das Ziel?

Dieses Projekt wird Teil des Basisprotokolls Bewegung werden. Auf Zettelkasten.de arbeiten wir (Christian programmiert, ich stelle die Inhalte) an einem Mitgliederbereich. Wenn wir damit anfangen, werde ich einen entsprechenden Bereich auch für das Lebenswandelprojekt aufbauen. Das wird mir eine schrittweise Veröffentlichung des Lebenswandelprojekts erlauben. Natürlich werde ich auch die entsprechenden Bände der Buchserie veröffentlichen. Aber Bücher schreiben bedeutet langsame Zyklen von Arbeit und Veröffentlichung. Ich strebe nach mehr Geschwindigkeit.

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Werkzeuge zum direkten Ausprobieren:

  1. Je nach Trainingsstand sind 30 Minuten niederintensives Ausdauertraining vor dem Krafttraining eine hervorragende Möglichkeit, Kraft- und Ausdauertraining miteinander zu kombinieren. Beachte natürlich, dass du dein Krafttraining an diese Veränderung anpasst.
  2. Setz einen Kältereiz vor dein Training, um mindestens den Ausdauerreiz zu verbessern.
  3. Nutze Zwischenroutinen, um planvoll Trainingsinhalte unterzubringen. Grease the Groove, GTG, ist das populärste Label für Krafttraining in Zwischenroutinen. Der Klassiker von einem Klassiker (Pavel Tsatsouline). Ausdauertraining in den Zwischenroutinen wird gerade unter dem Label "Exercise Snacks" untersucht.

Zu beachten: Ich habe bewusst eine kleine Auswahl von Links auf Studien, Reviews und so weiter platziert. Die systematische Aufarbeitung meiner wissenschaftlichen Grundlagenarbeit ist noch im vollen Gang. Die Links sind keine Belege, sondern sie sind ein kleiner Vorgeschmack für das, was kommt.


  1. Theodore W Zderic and Marc T Hamilton (2012): Identification of hemostatic genes expressed in human and rat leg muscles and a novel gene (LPP1/PAP2A) suppressed during prolonged physical inactivity (sitting), Lipids Health Dis, 2012, Vol. 11, S. 137.