Ich bei Joseph Bartz - Offener Brief

Kurze Vorabbemerkung: Die nachfolgende Mail habe ich tatsächlich abgeschickt. Ich habe sie nur leicht verändert, um sie in der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Brief

Moin Joseph,

danke.

Das Jahr 2017 war für mich ein Jahr, in dem ich meine Bewegungspraktik finden musste. Kannst du dich noch an die seltsame Frage erinnern, die ich dir bezüglich meines Trainings gestellt habe, als wir das letzte Mal telefoniert haben? Die Frage war so gestellt, als ob ich eine Art Erlaubnis für mein Trainingsvorhaben einholen wollte. Das war eine Trickfrage. Ich wusste schon, was du antworten würdest. Was solltest du auch sonst sagen?

Mehr zum Hintergrund: Ich habe dir schon einmal erzählt, dass ich recht froh bin, dass ich im Rahmen des allgemeinen Bewegungstrainings mit dir in Kontakt gekommen bin und mich gegen das Online-Coaching von Ido entschieden habe. Nachdem ich mein altes Training zum logischen Endpunkt gebracht habe, war für mich erstmal klar: Ich begebe mich auf einen neuen Weg. Also fing ich an mit all den Sachen, die ich im Netz gefunden habe. Ich wusste auch, dass die noch weit erhöhtere Bewegungsvielfalt es mir ermöglichen würde, noch mehr Stunden am Tag zu trainieren. Ich war bereit für eine neue Eskalation.

Dann war ich bei dir im Intensive und wir sind eine Stunde lang die Treppe raufgesprungen. Das und die Tatsache, dass meine Waden für drei Tage so schmerzhaft waren, dass ich dachte, dass ich sie diesmal beide zerreiße, war für mich der Höhepunkt und eine große Erleichterung. Ich dachte, so habe ich es gesagt: “Gott sei Dank. Das ist auch Teil von Movement.” (bewusst Englisch). Was für ein seltsamer Gedanke und ich befürchtete, dass ich mich einfach nicht von meinem alten Paradigma lösen will, weil ich geistig unflexibel geworden bin.

Vorspulen auf die letzten drei Wochen. Ich habe mich zwei Konzepten gewidmet: Mobilitycardio (kenne noch keinen guten deutschen Begriff) und organische Kraft. Ich habe mich wieder wie ein Fisch im Wasser gefühlt. Ich habe geforscht, mein Körper tat weh, ich war so müde, dass ich mich aus dem Bett rollen musste und jede Zelle meines Körpers begann sich zu verwandeln, aus Angst umgebracht zu werden.

Diese Erkenntnis habe ich damit zusammengebracht, was ich dir beim letzten Besuch am Küchentisch gesagt habe. Ich finde, Highkicks sind scheiße. Meine Tritte sind zwar hässlich, aber äußerst kräftig. Es ist keine Sache meiner Inkompetenz. Ich mag meine Vorurteile und tiefseeligen Abneigungen gegen einzelne Bewegungen. Sie hindern mich nicht, aber machen mir Spaß.

Was hat diese Ideenmischung hervorgebracht? Bewegung ist Handlungssubstrat. Es ist ein Irrglaube, dass unser Gehirn sich als Bewegungsorgan entwickelt hat. Es ist ein Handlungsorgan. Bewegung ist nur eine der Manifestationen. Mit Bewegung interagierten wir solange ausschließlich, bis wir endlich die Sprache entwickelt haben. Darüber gibt es einen ganzen Forschungsansatz: Die Sprechakttheorie. Will ich meiner Aggression Ausdruck verleihen, kann ich jemanden verletzten. Mit meinem Körper oder meiner Sprache. Aber beides sind nur die ausgewählten Werkzeuge.

Damit ist die persönliche Bewegungspraktik ein Teil der Welt meiner Handlungen. Oder anders: Meine Bewegungspraktik ist Ausdruck meiner Art zu leben. Und schon waren alle Fragen aufgelöst -- so wie du es über den Wald und die Natur gesagt hast: Die Sinnfrage ist nicht beantwortet, sondern ausgelöscht.

Die Auseinandersetzung mit deiner Arbeit ist wichtiger Bestandteil meiner Antwort auf die Frage: Wie soll ich mich bewegen?

Danke
Sascha

Schlussbemerkung

Wer sich mit Bewegung auseinandersetzen will, sollte zu Joseph Bartz gehen: http://www.josephbartz.de