Die Kalorienbilanz, Teil II - Körperfett und Körpergewicht

Zusammenfassung: Die Kalorienbilanz hebt den Unterschied zwischen Körperfett und Körpergewicht auf. Doch genau dieser Unterschied ist wichtig. So kann die Kalorienbilanz keine Antwort auf die Frage "Wie werde ich Körperfett los?" geben.

Auch er ist etwas schwer, aber ist er zu dick? Interessanter Weise gilt die Übermacht der Kalorienbilanz nicht beim Muskelaufbau.

Die Ausgangsfrage ist: "Warum habe ich Übergewicht?" Doch was meinen wir damit? Wir meinen damit schlicht, dass wir zu viel Körperfett haben. So sollten wir auch die Frage formulieren: "Warum habe ich so viel Körperfett?" Es ist wichtig die Frage so zu stellen, dass sie sich auch auf das eigentliche Erkenntnisobjekt richtet.

Das ist eine der wichtigsten Praktiken des Forschens. Wir alle, vor allem in der neuen Zeit des Internets, sind irgendwie Forscher. Wissenschaft ist eine Methode. Jeder kann sie benutzen. Dafür muss man nicht in der Universität sein. Sie ist nicht perfekt, aber das Beste, was wir zu Zeit haben. Auch wenn du kein Wissenschaftler bist, sondern vielleicht Bankkaufmann in der Ausbildung oder Schüler: Wenn du dich über ein Thema schlau machst, brauchst du gute Kriterien um die Qualität von (sogenanntem) Wissen zu beurteilen.

Frage dich, was das Zentrale und Eigentliche an deiner Frage ist. Fragst du bloß nach dem Übergewicht, ist die Frage selbst schon so formuliert, dass sie dich vom eigentlich Erkenntnisobjekt ablenkt. Übergewicht misst man mit der Waage und einem Referenzwert wie dem BMI. Das Erkenntnisobjekt ist aber das Körperfett. Auf dieses sollte die Frage auch gerichtet sein. Das Hinterfragen der eigenen Frage ist eine wichtige Praktik des Forschens. Sie ist einfach und kann dich vor einigen Tücken bei deiner ganz persönlichen Recherche schützen. Zurück zum Thema:

Das Flussmodell der Kalorienbilanz

Die Kalorienbilanz lässt sich als folgendes Modell darstellen:

Die eine Seite, der Zufluss, beinhaltet nur:

  • Die Energie, die in Nahrung und kalorienhaltigen Getränken steckt.

Die andere Seite, der Abfluss, beinhaltet dagegen:

  • Wärmeverlust
  • Verrichtete mechanische Arbeit
  • Verlust von Materie (Ausscheidungen, Schweiß, sogar abgeschnittene Haare)

Wo sind Stoffwechelvorgänge, Grundumsatz und anderer Klimbim? Die spielen keine Rolle. Das ist übrigens ein weiterer Fehler im Umgang mit der Kalorienbilanz. Energie liegt immer in bestimmte Formen vor, wie z.B. als chemische Verbindung, Wärme oder Höhe (potentielle Energie). Nur in solcher Form kann die man überhaupt von einem Energieverlust des Körpers sprechen. Die Stoffwechselvorgänge selbst sind nicht auf der Verlustseite.1

Körpergewicht und Körperfett

Vergegenwärtigen wir uns noch mal unsere eigentliche Frage: "Warum habe ich so viel Körperfett?" Wir brauchen also ein Modell, dass uns einen Einblick dahin gibt, wie Körperfett auf- und abgebaut wird.

Die Kalorienbilanz bietet das nicht. Sie bildet den Körper als Ganzes ab. Das ist nun die zweite Forschungspraktik, die sehr zentral für jede Forschung ist: Das Erklärungsmodell muss das Erkenntnisobjekt selbst abbilden.

Hier wäre das unser Körperfett. Wir brauchen ein Modell, dass in etwa so aussieht:

(Kleiner Spoiler: Das ist eines der Modelle, auf dem ich aufbauen werde)

Die Kalorienbilanz hebt den Unterschied zwischen Körpergewicht und Körperfett auf. Dieser Unterschied ist genau der Grund, weshalb ich mir den FM-Score überhaupt "ausgedacht"2 habe.

Gary Taubes formuliert dieses Problem in einer anschaulichen Metapher:

Mit der Kalorienbilanz als Antwort auf Übergewicht zu reagieren ist genauso sinnvoll, als würden würden wir auf die Frage "Warum ist der Hörsaal voll?" antworten: "Es sind mehr Menschen nach Cambridge gekommen als rausgegangen sind." (Paraphrase)

Zusammenfassung

Die Kalorienbilanz lenkt uns vom eigentlichen Erkenntnisobjekt ab. Wir interessieren uns bei der Kalorienbilanz weniger für das Körpergewicht als vielmehr für das Körperfett. Dieses taucht aber an keiner Stelle der Kalorienbilanz auf. Das verletzt eine wichtige Regel einer guten Forschungspraxis: Das Erklärungsmodell muss das Erkenntnisobjekt selbst abbilden.

Weiter zu Teil III: Feltham & Berardi

Fragen/Bemerkungen

  • Welche anderen Modelle außer der Kalorienbilanz benutzt du um körperliche Veränderungen zu steuern?
  • Die beiden Praktiken (Richtiges Fragen, richtiges Modellieren) sind sehr wichtig und ihr Fehlen häufige Fehlerquelle, sogar in der universitären Forschung. Ich rate dir, diese beiden Praktiken konsequent zu üben.

Bilder

Photo Credit: Charles Williams via Compfight cc


  1. Ein interessanter Fall ist die Sauna. Gemäß der Kalorienbilanz nehmen wir hier sogar Energie auf. Durch schwitzen versucht der Körper wieder Energie abzugeben. Doch hier findet energetische Austausch über die Haut und nicht über die Verdauung statt.  

  2. Eigentlich habe ich nur aus einem Versuch ein absolutes Maß für den Körperfettanteil (Navy-Methode) genommen und daraus ein relatives Maß gemacht. Sie auch: [>>Klick<<][201309261434]