Eine Bewegungspraktik aufbauen - Beispiel Boxen

Im letzten Beitrag habe ich vorgestellt, wie man die Bewegungscurricula der verschiedenen Kreise als Ausdrucksformen ihrer eigenen Zwecksetzung verstehen kann. Das Bewegungscurriculum eines Bodybuildingprogramms umfasst beispielsweise die grundlegenden Bewegungen, mit denen man einen symmetrischen, muskulösen Körper aufbauen kann.

Ich will hier vorstellen, wie man von einem Bewegungscurriculum auf einen Trainingsplan kommen kann. Für die Anschaulichkeit werde ich genaues Beispiel geben. Das heißt, dass dieser Beitrag sehr individuell ist und das daraus resultierende Bewegungsprogramm ist nicht ohne weiteres auf dich übertragbar.

Ich verwende hier ein iteratives Prinzip. Das heißt, dass ich diesen Trainingsplan Schritt für Schritt aufbauen werde. Diese Schritte können unter anderem als Progressionsstufen von einem Anfänger zu einem Fortgeschrittenen verwendet werden. Sie können aber auch im Rahmen einer Periodisierung verwendet werden. Aber mit einem einzigen Artikel erhebe ich natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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1. Schritt: Kerncurriculum

Boxen besteht aus folgenden Grundaufgaben. Als Boxanfänger sollte man sich auf diese Grundaufgaben konzentrieren. Fast immer ist Techniktraining oder Sparring die bessere Zeitinvestition. Allgemeine Trainingsformen sollte man später hinzunehmen. Allerdings sieht die Praxis anders aus. Meistens tritt man einem Verein bei und macht eben das Training mit und dazu gehören häufig auch hunderte Liegestütz am Ende vom Training. Das liegt gewöhnlich daran, dass das Training in einem Boxverein meistens auch für eine generelle Fitness sorgen soll.

  1. Schnelle Richtungswechsel. Das ist die Beinarbeit beim Boxen. Trainieren wir für das Boxen können wir diesen Aspekt isolieren. Das sind dann Übungen wie Seilspringen (Ausdauer), Techniktraining (Bewegungsmuster), Sprungübungen (Kraft).
  2. Unbelastete Positionierung. Durch leichte Veränderung in der Haltung kann man den Gegner zu Handlungen verleiten. Das fällt unter den Bereich von Taktik. Auch schnelle Kopfbewegungen fallen in diese Kategorie.
  3. Organischer Krafteinsatz. Dazu gehört der Nahkampf mit seinem Gedränge und Geschiebe und der Aufprall bzw. das Abfangen eines nicht getroffenen Stoßes. Dies können wir durch Rumpfübungen, plyometrische Übungen und Ähnliches trainieren.
  4. Springen. Eine kleiner Anteil des Boxens ist springen. Schnelle Positionswechsel sind niedrige Sprünge.
  5. Schnelle, unbelastete Handmanipulation. Das ist der eigentliche Boxstoß. Die Schlagkraft besteht aus zwei Komponenten: Erstens aus der kinetischen Energie des beschleunigten Unterarms. Der Boxstoß ist bis zum Aufprall eine Art Wurf des Unterarms. Hier ist Schnelligkeit der ausschlaggebende Faktor und diese ist eine der am schlechtesten trainerbaren Fähigkeiten. Darauf gründet sich das boxerische Erfahrungswissen, dass die Schlagkraft schwer trainierbar ist. Ein geringerer Anteil ist zweitens die Fertigkeit diese Kraft nicht verpuffen zu lassen, wenn man getroffen hat. Daher hängen die allgemeine Kraft (meist gemessen an linearen Bewegungen wie Bankdrücken) und Schlagkraft nicht so eng zusammen, wie man gemeinhin versucht ist anzunehmen.

Das Kerncurriculum ändert sich im Laufe der Boxkarriere. Am Anfang sollte das Training aus relativ isolierten Übung bestehen:

  1. Beinarbeit.
  2. Techniktraining für die verschiedenen Stöße.
  3. Abwehrtechniken.

Mit der Zeit beginnt man, die verschiedenen isolierten Techniken zu integrieren:

  1. Wir verbinden Beinarbeit mit Angriffs- und Abwehrtechniken.
  2. Verschiedene Angriffs- und Abwehrtechniken können zu verschiedenen Kombinationen zusammenfügen.
  3. Man beginnt zu improvisieren. Anfänglich mit bedingtem Sparring. Das heißt, dass man nur eine begrenzte Menge von Techniken verwenden darf. Später wird das Sparring freier und härter.

Man kann hier beliebig viel Zeit investieren. Je mehr Zeit man investiert, desto besser sind die Lernfortschritte.

Beispiel:

Wochentag Training
Mo Training im Verein
Di 45min Boxsack
Mi 45min Schattenboxen
Do Training im Verein
Fr 45min Boxsack
Sa Übungen mit Kumpel
So Pause

2. Schritt: Spezifisches Training von Kraft, Ausdauer und Mobilität

Ab einem gewissen Trainingsstand verschwinden einige Elemente des Techniktrainings. Viele isolierende Übungen lohnen sich nicht mehr, weil die einzelnen Bewegungen in Fleisch und Blut übergegangen sind. Man konzentriert sich allenfalls noch auf Schwächen in der Technik und behält sich noch einige wenige Gelegenheiten, um Erhaltungstraining zu machen. Wir werden das Training in durch die folgenden Inhalte ergänzen:

  1. Für die Beinarbeit werden wir plyometrische Sprungkraftübungen und Seilchenspringen für die Ausdauer verwenden.
  2. Für den organischen Krafteinsatz setzen wir spezielle plyometrische Übungen für den Oberkörper und Rumpfübungen ein.
  3. Für die Schlagkraft, die eigentlich Schlagexplosivität ist, verwenden wir Wurfübungen und für die Ausdauer Training am Sandsack.
  4. Mobilität im Sinne von Gelenkigkeit brauchen wir beim Boxen nicht. Allerdings können wir Stabilitätstraining für die Verletzungsvorsorge gebrauchen. Das betrifft vor allem die Sprunggelenke, Schultern, Handgelenke und den Hals.

Dafür werden wir die zwei Trainingseinheiten gestalten. Dabei trennen wir Training mit und ohne Ausdauertraining.

TeEXPL Übung Reiz
A1 MedBall Wurf 6x6
A2 MedBall Slam 6x6
B1 Prellsprünge im Schritt 6x4
B2 Neiderpress 6x6
C1 Full Contact Twist 3x10
C2 Ringerbrücke, hinten/vorne 3x10
TeAUSD Übung Reiz
A1 Dauerschläge 10x20s; 40s Pause
B1 Seilspringen 10x45s; 30s Pause
C1 Cuban Press 3x20
C2 Handgelenkroutine 3x20
D1 Ballfangen auf Geländer 5--10min

Im Wochenplan sieht das ganze so aus:

Tag Training
Mo Im Verein
Di TeEXPL
Mi TeAUSD
Do Im Verein
Fr TeEXPL
Sa TeAUSD
So Pause

3. Schritt: Allgemeines Training

Beim Allgemeinen Training geht es nun um Bewegungsinhalte, die keinen unmittelbaren Übertrag auf das Boxen haben. Dafür erhöhen sie aber das Potential für Anpassungen. Wenn du beispielsweise sehr wenig Muskelmasse hast, kann ein Muskelaufbautraining für den Oberkörper hilfreich sein. Aber es steht auf der Prioritätenliste unterhalb des Vereinstrainings oder spezifischer Explosivitätsübungen. Nehmen wir nun allgemeines Kraft- und Ausdauertraining hinzu.

An dieser Stelle werde ich das Training in zwei Einheiten pro Tag aufteilen. Dabei sind die Trainingseinheiten immer noch relativ kurz.

Leichte Mobilität Übung Reiz
A1 Routine, Schwunggymnastik 3-5x
Ausdauer Übung Reiz
A1 Fartlek 30min
Kraft 1 Übung Reiz
A1 Handstandliegestütz-Prog Wdh: 20--30
A2 Klimmzug-Prog Meilenstein 6x6
B1 Ringdips 1xmax
B2 Klimmzüge, Obergriff 1xmax
C1 Full Contact Twist 4x10
D1 Rotatoren 3x15
E1 Griffkraftroutine 3x15
Kraft 2 Übung Reiz
A1 Schulterdrücken 8x5 @60-70%1RM
A2 Klimmzüge, Untergriff 8x5 @60-70%1RM
B1 Einarm. Liegestütz-Progr wdh. 20--25
B1 Einarmig. Ringerudern-Progr Meilenstein: 3x8
C1 Torture Twist 3x10--20 (1s halten)
C2 Ringerbrücke 3x10--20
C3 Reverse Flys (Y-Position) 3x10
Intervall Übung Reiz
A1 Dauerschläge 10x20s; 40s Pause
B1 T-Bar Swings 6x10 Startintervall 120s
C1 Seilchenspringen 10x20s; 40s Pause
TeEXPL Übung Reiz
A1 MedBall Wurf 6x6
A2 MedBall Slam 6x6
B1 Prellsprünge im Schritt 6x4
B2 Neiderpress 6x6

Die Woche wäre dann so aufgeteilt:

Tag Morgens Abends
Mo Leichte Mobilität Vereinstraining
Di Ausdauer Kraft 1
Mi Explosiv Intervall
Do Leichte Mobilität Vereinstraining
Fr Ausdauer Kraft 2
Sa Explosiv Intervall
So Techniktraining Leichte Mobilität

4. Schritt: Periodisierung?

Der Trainingsplan ist voll. Der obige Trainingsplan ist recht unspezifisch und allgemein. Er enthält nur noch drei boxspezifische Trainingseinheiten pro Woche. An dieser Stelle würden wir dann periodisieren. Das heißt, dass wir verschiedene Trainingsphasen schaffen würden, in denen wir uns auf verschiedene Aspekte konzentrieren. Das könnte beispielsweise so aussehen:

Phase Inhalte
Grundlagen Technik, Allgemeine Kraft- und Ausdauer
Spezifisch Boxen, boxspezifisches Training
Tapering Vor Kämpfen reduzieren wir Belastung

Man kann noch weitergehen und sowohl die Grundlagen- als auch spezifische je in zwei Phasen unterteilen:

  1. Volumen. Niedrige Intensität, viele Wiederholungen.
  2. Intensität. Hohe Intensität, wenig Wiederholungen.

Und so weiter und so fort.

5. Boxen als Teil eines allgemeineren Trainings

Nun will natürlich nicht jeder ein spezifisches Boxtraining absolvieren. Vielleicht hast du mehr Ziele als das Boxen. Nehmen wir dazu als Beispiel die üblichen Ziele: Gutes Aussehen, allgemeine Kraft und Gesundheit. Dann kann das Training wieder ganz anders aussehen:

Tag Morgens Abends
Mo Loaded Stretching Training im Verein
Di Seilchenspringen Krafttraining
Mi Sprinten und Würfe
Do Loaded Stretching Training im Verein
Fr Seilchenspringen Krafttraining
Sa Sprinten und Würfe
So Langer Lauf

6. Boxen als Teil von Breitensport

Vielleicht willst du Boxen lediglich im Rahmen eines allgemeinen Fitnesstrainings nutzen. Das heißt: Du machst einmal pro Tag. Dann kann das Training so aussehen:

Tag Training
Mo Training im Verein
Di Krafttraining
Mi Mobilität und Handstandtraining
Do Training im Verein
Fr Krafttraining
Sa Mobilität und Handstandtraining
So Pause

Abschließende Worte

Eine Bewegungspraktik aufzubauen ist nicht schwer. Man muss nur wissen, was man will und sich dann die entsprechenden Werkzeuge aus dem Kasten holen. Nur muss man dazu wissen, was in den Werkzeugkasten hineingehört. Hier habe ich eine einfache Methode der Analyse und Resynthese vorgenommen. Sie ist auf jedes Training anwendbar.

Fragen

Welche Sportarten oder Trainingsmodi willst du kombinieren? Interessante Beispiele werde ich bearbeiten und als Blogpost veröffentlichen. In die Kommentare mit den Beispielen!