Eine Bewegungspraktik aufbauen - Beispiel Boxen
Im letzten Beitrag habe ich vorgestellt, wie man die Bewegungscurricula der verschiedenen Kreise als Ausdrucksformen ihrer eigenen Zwecksetzung verstehen kann. Das Bewegungscurriculum eines Bodybuildingprogramms umfasst beispielsweise die grundlegenden Bewegungen, mit denen man einen symmetrischen, muskulösen Körper aufbauen kann.
Ich will hier vorstellen, wie man von einem Bewegungscurriculum auf einen Trainingsplan kommen kann. Für die Anschaulichkeit werde ich genaues Beispiel geben. Das heißt, dass dieser Beitrag sehr individuell ist und das daraus resultierende Bewegungsprogramm ist nicht ohne weiteres auf dich übertragbar.
Ich verwende hier ein iteratives Prinzip. Das heißt, dass ich diesen Trainingsplan Schritt für Schritt aufbauen werde. Diese Schritte können unter anderem als Progressionsstufen von einem Anfänger zu einem Fortgeschrittenen verwendet werden. Sie können aber auch im Rahmen einer Periodisierung verwendet werden. Aber mit einem einzigen Artikel erhebe ich natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Schritt: Kerncurriculum
Boxen besteht aus folgenden Grundaufgaben. Als Boxanfänger sollte man sich auf diese Grundaufgaben konzentrieren. Fast immer ist Techniktraining oder Sparring die bessere Zeitinvestition. Allgemeine Trainingsformen sollte man später hinzunehmen. Allerdings sieht die Praxis anders aus. Meistens tritt man einem Verein bei und macht eben das Training mit und dazu gehören häufig auch hunderte Liegestütz am Ende vom Training. Das liegt gewöhnlich daran, dass das Training in einem Boxverein meistens auch für eine generelle Fitness sorgen soll.
- Schnelle Richtungswechsel. Das ist die Beinarbeit beim Boxen. Trainieren wir für das Boxen können wir diesen Aspekt isolieren. Das sind dann Übungen wie Seilspringen (Ausdauer), Techniktraining (Bewegungsmuster), Sprungübungen (Kraft).
- Unbelastete Positionierung. Durch leichte Veränderung in der Haltung kann man den Gegner zu Handlungen verleiten. Das fällt unter den Bereich von Taktik. Auch schnelle Kopfbewegungen fallen in diese Kategorie.
- Organischer Krafteinsatz. Dazu gehört der Nahkampf mit seinem Gedränge und Geschiebe und der Aufprall bzw. das Abfangen eines nicht getroffenen Stoßes. Dies können wir durch Rumpfübungen, plyometrische Übungen und Ähnliches trainieren.
- Springen. Eine kleiner Anteil des Boxens ist springen. Schnelle Positionswechsel sind niedrige Sprünge.
- Schnelle, unbelastete Handmanipulation. Das ist der eigentliche Boxstoß. Die Schlagkraft besteht aus zwei Komponenten: Erstens aus der kinetischen Energie des beschleunigten Unterarms. Der Boxstoß ist bis zum Aufprall eine Art Wurf des Unterarms. Hier ist Schnelligkeit der ausschlaggebende Faktor und diese ist eine der am schlechtesten trainerbaren Fähigkeiten. Darauf gründet sich das boxerische Erfahrungswissen, dass die Schlagkraft schwer trainierbar ist. Ein geringerer Anteil ist zweitens die Fertigkeit diese Kraft nicht verpuffen zu lassen, wenn man getroffen hat. Daher hängen die allgemeine Kraft (meist gemessen an linearen Bewegungen wie Bankdrücken) und Schlagkraft nicht so eng zusammen, wie man gemeinhin versucht ist anzunehmen.
Das Kerncurriculum ändert sich im Laufe der Boxkarriere. Am Anfang sollte das Training aus relativ isolierten Übung bestehen:
- Beinarbeit.
- Techniktraining für die verschiedenen Stöße.
- Abwehrtechniken.
Mit der Zeit beginnt man, die verschiedenen isolierten Techniken zu integrieren:
- Wir verbinden Beinarbeit mit Angriffs- und Abwehrtechniken.
- Verschiedene Angriffs- und Abwehrtechniken können zu verschiedenen Kombinationen zusammenfügen.
- Man beginnt zu improvisieren. Anfänglich mit bedingtem Sparring. Das heißt, dass man nur eine begrenzte Menge von Techniken verwenden darf. Später wird das Sparring freier und härter.
Man kann hier beliebig viel Zeit investieren. Je mehr Zeit man investiert, desto besser sind die Lernfortschritte.
Beispiel:
Wochentag | Training |
---|---|
Mo | Training im Verein |
Di | 45min Boxsack |
Mi | 45min Schattenboxen |
Do | Training im Verein |
Fr | 45min Boxsack |
Sa | Übungen mit Kumpel |
So | Pause |
2. Schritt: Spezifisches Training von Kraft, Ausdauer und Mobilität
Ab einem gewissen Trainingsstand verschwinden einige Elemente des Techniktrainings. Viele isolierende Übungen lohnen sich nicht mehr, weil die einzelnen Bewegungen in Fleisch und Blut übergegangen sind. Man konzentriert sich allenfalls noch auf Schwächen in der Technik und behält sich noch einige wenige Gelegenheiten, um Erhaltungstraining zu machen. Wir werden das Training in durch die folgenden Inhalte ergänzen:
- Für die Beinarbeit werden wir plyometrische Sprungkraftübungen und Seilchenspringen für die Ausdauer verwenden.
- Für den organischen Krafteinsatz setzen wir spezielle plyometrische Übungen für den Oberkörper und Rumpfübungen ein.
- Für die Schlagkraft, die eigentlich Schlagexplosivität ist, verwenden wir Wurfübungen und für die Ausdauer Training am Sandsack.
- Mobilität im Sinne von Gelenkigkeit brauchen wir beim Boxen nicht. Allerdings können wir Stabilitätstraining für die Verletzungsvorsorge gebrauchen. Das betrifft vor allem die Sprunggelenke, Schultern, Handgelenke und den Hals.
Dafür werden wir die zwei Trainingseinheiten gestalten. Dabei trennen wir Training mit und ohne Ausdauertraining.
TeEXPL | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | MedBall Wurf | 6x6 |
A2 | MedBall Slam | 6x6 |
B1 | Prellsprünge im Schritt | 6x4 |
B2 | Neiderpress | 6x6 |
C1 | Full Contact Twist | 3x10 |
C2 | Ringerbrücke, hinten/vorne | 3x10 |
TeAUSD | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | Dauerschläge | 10x20s; 40s Pause |
B1 | Seilspringen | 10x45s; 30s Pause |
C1 | Cuban Press | 3x20 |
C2 | Handgelenkroutine | 3x20 |
D1 | Ballfangen auf Geländer | 5--10min |
Im Wochenplan sieht das ganze so aus:
Tag | Training |
---|---|
Mo | Im Verein |
Di | TeEXPL |
Mi | TeAUSD |
Do | Im Verein |
Fr | TeEXPL |
Sa | TeAUSD |
So | Pause |
3. Schritt: Allgemeines Training
Beim Allgemeinen Training geht es nun um Bewegungsinhalte, die keinen unmittelbaren Übertrag auf das Boxen haben. Dafür erhöhen sie aber das Potential für Anpassungen. Wenn du beispielsweise sehr wenig Muskelmasse hast, kann ein Muskelaufbautraining für den Oberkörper hilfreich sein. Aber es steht auf der Prioritätenliste unterhalb des Vereinstrainings oder spezifischer Explosivitätsübungen. Nehmen wir nun allgemeines Kraft- und Ausdauertraining hinzu.
An dieser Stelle werde ich das Training in zwei Einheiten pro Tag aufteilen. Dabei sind die Trainingseinheiten immer noch relativ kurz.
Leichte Mobilität | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | Routine, Schwunggymnastik | 3-5x |
Ausdauer | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | Fartlek | 30min |
Kraft 1 | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | Handstandliegestütz-Prog | Wdh: 20--30 |
A2 | Klimmzug-Prog | Meilenstein 6x6 |
B1 | Ringdips | 1xmax |
B2 | Klimmzüge, Obergriff | 1xmax |
C1 | Full Contact Twist | 4x10 |
D1 | Rotatoren | 3x15 |
E1 | Griffkraftroutine | 3x15 |
Kraft 2 | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | Schulterdrücken | 8x5 @60-70%1RM |
A2 | Klimmzüge, Untergriff | 8x5 @60-70%1RM |
B1 | Einarm. Liegestütz-Progr | wdh. 20--25 |
B1 | Einarmig. Ringerudern-Progr | Meilenstein: 3x8 |
C1 | Torture Twist | 3x10--20 (1s halten) |
C2 | Ringerbrücke | 3x10--20 |
C3 | Reverse Flys (Y-Position) | 3x10 |
Intervall | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | Dauerschläge | 10x20s; 40s Pause |
B1 | T-Bar Swings | 6x10 Startintervall 120s |
C1 | Seilchenspringen | 10x20s; 40s Pause |
TeEXPL | Übung | Reiz |
---|---|---|
A1 | MedBall Wurf | 6x6 |
A2 | MedBall Slam | 6x6 |
B1 | Prellsprünge im Schritt | 6x4 |
B2 | Neiderpress | 6x6 |
Die Woche wäre dann so aufgeteilt:
Tag | Morgens | Abends |
---|---|---|
Mo | Leichte Mobilität | Vereinstraining |
Di | Ausdauer | Kraft 1 |
Mi | Explosiv | Intervall |
Do | Leichte Mobilität | Vereinstraining |
Fr | Ausdauer | Kraft 2 |
Sa | Explosiv | Intervall |
So | Techniktraining | Leichte Mobilität |
4. Schritt: Periodisierung?
Der Trainingsplan ist voll. Der obige Trainingsplan ist recht unspezifisch und allgemein. Er enthält nur noch drei boxspezifische Trainingseinheiten pro Woche. An dieser Stelle würden wir dann periodisieren. Das heißt, dass wir verschiedene Trainingsphasen schaffen würden, in denen wir uns auf verschiedene Aspekte konzentrieren. Das könnte beispielsweise so aussehen:
Phase | Inhalte |
---|---|
Grundlagen | Technik, Allgemeine Kraft- und Ausdauer |
Spezifisch | Boxen, boxspezifisches Training |
Tapering | Vor Kämpfen reduzieren wir Belastung |
Man kann noch weitergehen und sowohl die Grundlagen- als auch spezifische je in zwei Phasen unterteilen:
- Volumen. Niedrige Intensität, viele Wiederholungen.
- Intensität. Hohe Intensität, wenig Wiederholungen.
Und so weiter und so fort.
5. Boxen als Teil eines allgemeineren Trainings
Nun will natürlich nicht jeder ein spezifisches Boxtraining absolvieren. Vielleicht hast du mehr Ziele als das Boxen. Nehmen wir dazu als Beispiel die üblichen Ziele: Gutes Aussehen, allgemeine Kraft und Gesundheit. Dann kann das Training wieder ganz anders aussehen:
Tag | Morgens | Abends |
---|---|---|
Mo | Loaded Stretching | Training im Verein |
Di | Seilchenspringen | Krafttraining |
Mi | Sprinten und Würfe | |
Do | Loaded Stretching | Training im Verein |
Fr | Seilchenspringen | Krafttraining |
Sa | Sprinten und Würfe | |
So | Langer Lauf |
6. Boxen als Teil von Breitensport
Vielleicht willst du Boxen lediglich im Rahmen eines allgemeinen Fitnesstrainings nutzen. Das heißt: Du machst einmal pro Tag. Dann kann das Training so aussehen:
Tag | Training |
---|---|
Mo | Training im Verein |
Di | Krafttraining |
Mi | Mobilität und Handstandtraining |
Do | Training im Verein |
Fr | Krafttraining |
Sa | Mobilität und Handstandtraining |
So | Pause |
Abschließende Worte
Eine Bewegungspraktik aufzubauen ist nicht schwer. Man muss nur wissen, was man will und sich dann die entsprechenden Werkzeuge aus dem Kasten holen. Nur muss man dazu wissen, was in den Werkzeugkasten hineingehört. Hier habe ich eine einfache Methode der Analyse und Resynthese vorgenommen. Sie ist auf jedes Training anwendbar.
Fragen
Welche Sportarten oder Trainingsmodi willst du kombinieren? Interessante Beispiele werde ich bearbeiten und als Blogpost veröffentlichen. In die Kommentare mit den Beispielen!