Warum kannst du nicht "Nein" sagen?
Zusammenfassung: Unser Handeln wird schlussendlich durch Glaubenssätze bestimmt. Im Umgang mit diesen Glaubenssätzen kann einiges schief gehen. Durch Reflexion und guten Umgang mit ihnen, kannst du Verdrängung und Rationalisierung vermeiden.
"Eigentlich wollte ich diese Schokotorte nicht essen, aber sie war so lecker" markiert nicht, dass wir etwas tun, was unseren Glaubenssätzen widerspricht. Es gibt Gründe, für die Schokotorte sprechen, und welche, die dagegen sprechen.
Nehmen wir die Susanne als Beispiel. Sie fühlt sich dick und möchte abnehmen. Heute ist sie auf der Geburtstagsfeier ihrer Oma. Ihr wird da ein Stück Schokotorte angeboten.
Diese Gründe sprechen gegen die Schokotorte:
- Schokotorte macht mich dick. Ich will nicht dick sein.
Diese möglichen Gründe sprechen dafür, die Schokotorte zu essen:
- Es ist mir wichtig leckere Dinge zu essen.
- Ich soll meiner Oma eine Freude machen. Meine Oma hat mir die Torte angeboten und ein solchen Angebot anzunehmen macht meiner Oma Freude.
- Ich soll dazugehören. Wenn ich die Schokotorte ablehne, dann fühle ich mich nicht gehörig.
Sie wird diese Schokotorte essen. Trotz ihrer Wünsche abzunehmen und ihrem Leiden, wenn sie sich im Spiegel ansieht und furchtbar dick fühlt. Später wird sie ihrem Trainer erzählen, dass es irgendwie passiert ist. Weil sie sich ihrer Glaubenssätze nicht bewusst ist, muss sie sich einen Reim auf ihr eigenes Verhalten machen.
Verdrängung
Dieses Verhalten kannst du überall in deinem sozialen Umfeld beobachten. Achte dabei auf Phrasen wie "es ist passiert" oder "man tut dieses und jenes". Diese Phrasen sind der Versuch sich selbst aus den Überlegungen herauszunehmen. Diese Phrasen sind Hinweise auf Verdrängung.
Susanne kann sich nicht erklären, warum sie nicht nein sagen kann. Sie verhält sich so auch in ihrem Job im Büro. Manchmal lehnt sie die allgegenwärtigen Naschereien ab, aber oft greift sie dann doch zu den Süßigkeiten. Der Druck dazuzugehören, Angebote anzunehmen und eine gewisse Genusshaltung dem Essen gegenüber sind in dem jeweiligen Augenblick starke Kräfte und ihr Wunsch abzunehmen rückt in den Hintergrund.
Später, wenn der soziale Druck wegfällt, und sie ihre Lust nach Süßem gestillt hat, bleibt der Wunsch abzunehmen und ist wieder sehr präsent und sie ärgert sich über sich selbst.
Bedenke, dass Susanne in keinem dieser Beispiele einen schwierigen Konflikt austragen musste. Sie hat in jeder Situation gemäß ihrer stärksten und wichtigsten Glaubenssätze gehandelt, die für diese Situation gültig sind.
Rationalisierung
Verdrängung ist eine Möglichkeit, mit diesem Problem umzugehen. Eine andere Möglichkeit ist es, zu versuchen, einen Reim darauf zu machen. Irgendwie muss das doch Sinn ergeben, denkt sich Susanne. Eine sehr ungünstige Möglichkeit könnte sein, dass sie einen weiteren Glaubenssatz über sich selbst formt. Sie könnte anfangen sich als undiszipliniert zu sehen. Sie rationalisiert ihr Verhalten, in dem sie sich selbst eine Eigenschaft andichtet.
Sie entwickelt dann den Glaubenssatz "Ich bin nicht diszipliniert". Jedes "Scheitern", was eigentlich nur eine völlig nachvollziehbare Entscheidung aus Pro und Contra ist, zementiert diesen Glaubenssatz weiter.
Dieser Glaubenssatz wird dann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Mit jedem "undiszipliniertem" Verhalten, verstärkt sich dieser Glaube, der es ihr wiederum schwerer macht sich nicht undiszipliniert zu Verhalten.
Das ist einer der Wege, wie man ein negatives Selbstbild über sich aufbauen kann.
Aus diesem Zusammenhang ist auch mein Beitrag Disziplin in der Ernährung entstanden. Wenn dich dieses Thema interessiert, dann sieh' dir auch den Beitrag Die drei Stooges der Ernährunsumstellung an.
Mögliche Auswege
Wichtig ist es, dass du dir über deine Glaubenssätze bewusst wirst. Sowohl Verdrängung als auch Rationalisierung sind zwei Methoden, mit denen wir Konflikte lösen, deren Grundlage uns nicht ganz klar ist. Manchmal wollen wir uns darüber nicht klar werden und manchmal fehlt uns schlicht die Einsicht.
Man kann das ganze auch zeitlich entzerren. Während einer 30-Tage-Challenge haben wir eine Ziellinie vor Augen. Das schwemmt viele Wünsche und Glaubenssätze für eine gewisse Zeit beiseite.
Viele Menschen kehren nach einer solchen Challenge Stück für Stück zu ihren alten Ernährungsgewohnheiten zurück. Das sind meiner Erfahrung nach die Menschen, die sich während dieser Zeit nicht verändert haben. Dies ist der schwere Teil einer Ernährungsumstellung. Im eigentlichen Sinne ist es eine Selbstentwicklungsaufgabe. Wenn man nicht dazu bereit ist, wird man langfristig scheitern.
Ebenso kann man den Schummeltag verstehen. Erklärt man einen Tag der Woche zum Schummeltag, kann man seine Versuchungen auf diesen Tag schieben und dort erfüllen. Das verschafft dir periodisch Entspannung von diesem Konflikt.
Ein Schummeltag kann temporäre Lösung sein. In vielen Fällen wird der Schummeltag immer weniger radikal. Die neugewonnene Haltung zur Ernährung und zu sich selbst setzt sich durch.
Ich verwende ihn als Sicherheitsnetz. Ich lege soziale Ereignisse gerne auf diesen Tag, weil ich am Sonntag z.B. auch frühstücke. Hier kann ich dem sozialen Aspekt des Essens viel leichter gerecht werden. Normalerweise habe ich keine Versuchungen. Wenn ich sie haben, dann habe ich immer noch den Sonntag um sie auszuleben.
Meine "Schummeltage" bedeuten oft nur noch, dass ich Eier mit Speck frühstücke, viel Obst esse, Milch trinke und Abends eine Mahlzeit mit ein bisschen mehr Aufwand betreibe. Ich sehe Süßigkeiten immer mehr als bloße Störung.
Reflexion
Diesmal keine Abschlussfragen, sondern die Aufforderung über deine eigenen Konflikte zu reflektieren.
Erinnere dich an eine Situation, in welcher du nicht so gehandelt hast, wie du dir eigentlich vorgenommen hast. Mache eine Liste mit Gründen für und gegen dieses Verhalten. Zähle wirklich jeden Grund auf. Je ehrlicher und gnadenloser du dir selbst gegenüber bist, desto mehr hast du von dieser Übung. Beachte, dass dies unter Umständen sehr unangenehm sein kann, weil du eben solche Abwehrmechanismen deiner Psyche übergehst.
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