Zucker oder Honig?

Zusammenfassung: Honig bietet gegenüber Zucker zwei Vorteile. Wenn man ihn nicht erhitzt, bietet er einen geringfügig höheren Mikronährstoffgehalt. Er kann bei einer Umstellung von verarbeiteten zu naturbelassenen Produkten als erlaubtes Lebensmittel behandelt werden.

Normalerweise sollte die Antwort doch relativ einfach sein, oder? Honig ist paleo, Zucker nicht. So einfach ist das. Das lese ich in der Paleogemeinde häufiger. Doch bereits nach dem ersten genaueren Hinsehen ist die Frage nicht ganz so einfach.

Warum ist Zucker überhaupt ein Problem?

Das Problem mit dem Zucker speist sich durch zwei Quellen:

  1. Last
  2. Verschlechterung des Mikro-Makro-Nährstoffverhältnisses

1. Zuckerlast

Üblicherweise sind zuckerhaltige Lebensmittel direkt Zuckerbomben ohne Bremse. Das heißt, dass der Zucker in einem hohen Tempo ins Blut aufgenommen wird. Ich spreche ich hier bewusst nicht vom Glykämischen Index.

Hast du schon gewusst, dass der glykämische Index von Fanta 68 ist?1 Das zählt immer noch als mittlerer glykämischer Index. Auch der Kohlenhydratanteil ist nicht so wahnsinnig hoch. In Fanta Orange sind 9.5g Kohlenhydrate. Eine reife Banane enthält mehr als 20g. Das Problem ist das Verzehrtempo.

Wenn wir im Sommer unseren Kindern eine Fanta geben, dann stürzen sie diese in einem Zug runter und die nächste mindestens zur Hälfte. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich nun eine Fanta über den ganzen Tag verteilt und immer nur schlückchenweise nippe oder ob ich mich gleich versuche in diesem Getränk zu ersaufen.

Wenn wir zuckerhaltige Lebensmittel tolerieren, dann setzen wir uns der Gefahr aus unsere Pufferkapazität für Kohlenhydrate zu überschreiten.

[pullquote position="right" hidden="true"]Doch selbst meine schreckliche Inkarnation kann nicht einmal so schnell Erdbeeren aus der Schüssel essen, wie ein 10-jähriger seine Fanta stürzt.[/pullquote]

Häufiges Argument der Zuckerindustrie ist, dass Obst ja auch Zucker enthalte und man sich ja einig sei, Obst sei gesund. Das ist eine recht einfach zu durchschauende Rhetorik. Hier versucht jemand ein generelles Urteil über Zucker zu verbreiten und den Kontext zu verdrängen.2

Ist ein Teelöffel Zucker schädlich oder nützlich? Der Teelöffel Zucker, der in meinem Blut als Glucose gelöst ist, ist lebensnotwendig. Der Teelöffel Zucker, der meine Naschgewohnheit verfestigt dagegen schädlich.

Erdbeeren enthalten 5.5g Kohlenhydrate. Wenn wir ein Glas Fanta mit 250ml veranschlagen, dann enthält es ca. 24g Kohlenhydrate. Dafür müssten wir 430g Erdbeeren zu uns nehmen. Ich wage zu behaupten, dass ich der schlimmste Alptraum aller Erdbeerfelder zum selbst pflücken bin. Doch selbst meine schreckliche Inkarnation kann nicht einmal so schnell Erdbeeren aus der Schüssel essen, wie ein 10-jähriger seine Fanta stürzt.

Anmerkung: Der Junge wiegt durchschnittlich 30kg. Er wiegt also weniger als ein Drittel von mir. Das heißt, dass ein solcher Junge mit einem Drittel meines Körpergewichts in einem Bruchteil der Zeit mehr Kohlenhydrate aufnehmen kann als ich, wenn wir diese Vergleich zu Ende denken.

Durch diese Überlast wird Zucker zum Schadstoff.

Doch zuckerhaltige Lebensmittel haben noch mindestens eine andere negative Eigenschaft.

2. Verschlechterung dir Mikronährstoffdichte

Zucker ist nichts weiter als der pure Makronährstoff. Ein großes Problem unserer modernen Ernährung ist, dass sie mit einer geringen Mikronährstoffdichte einhergeht. Pro Kalorie nehmen wir weniger Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme auf.

Je mehr Zucker wir zu uns nehmen, desto weniger Mikronährstoffe nehmen wir in Konsequenz auf, wenn wir in etwa die gleiche Energiemenge zu uns nehmen. (Das gleiche gilt übrigens auch für Proteinpulver)

Zwei der wichtigsten Maßnahmen der Steinzeiternährung basieren auf dem Konzept der Mikronährstoffdichte:

  1. Getreide ist pro Kalorie sehr arm an Mikronährstoffen. Wenn ich Getreide durch Lebensmittel der Steinzeiternährung ersetze, erhöhe ich die Mikronährstoffdichte.
  2. Die Vermeidung von raffiniertem Zucker.

Die absolute Grundlage einer guten Ernährung ist eine gute Mikronährstoffdichte. Und dieses Prinzip wird durch den Zuckerkonsum besonders verletzt. Zucker ist besonders reich an Kohlenhydraten (100%) und besonders arm an Mikronährstoffen.

Ist Honig ein adäquater Ersatz?

Eine Empfehlung, von der ich aus der Paleogemeinde häufiger höre, lautet den Zucker einfach durch Honig zu ersetzen. Ist Honig nicht paleo? Machen unzählige Jäger und Sammler nicht regelmäßig Jagd auf die Bienenvölker in den Bäumen um ihnen ihren Honig abzujagen?

Honig hat auf jeden Fall mehr Mineral- und andere Mikronährstoffe als Zucker, doch diese Werte sind alles andere als beeindruckend.

Er unterscheidet sich auch nicht durch sein Kohlenhydratprofil wesentlich von gewöhnlichem Haushaltszucker. Es ist allenfalls etwas mehr Fructose enthalten, so dass er süßer schmeckt.

Damit es überhaupt einen Unterschied macht, ob du Honig oder Zucker nimmst, ist es wichtig möglichst unverarbeiteten Honig zu nehmen. Das heißt, dass auch du selbst ihn nicht über längere Zeit erhitzt. Honig enthält viele hitzeempfindliche Bestandteile und Erhitzen macht aus Honig schlichtes Zuckersirup.

Es kommt auf die Umstände an

Wenn du Zucker durch Honig beim Kochen, Grillen oder ähnlichem ersetzen willst, macht es nur einen Unterschied, wenn du den Honig nicht für längere Zeit erhitzt. Du willst Zucker durch Honig in einer Marinade für Grillfleisch ersetzen? Das macht es höchstens einen geschmacklichen Unterschied. Schließlich werden alle Vorteile des Honigs weggebrannt.

Wenn du gerade eine Ernährungsumstellung von weitgehend verarbeiteten auf naturbelassene Lebensmittel durchmachst, kann Honig selbstverständlich ein adäquater Ersatz sein. Bei diesem Teil der Ernährungsumstellung geht es ausschließlich darum keine industriell verarbeiteten Lebensmittel zuzulassen. Im Idealfall wird es zu deiner Überzeugung und zu einem grundsätzlichen Glaubenssatz von dir. Keinen Zucker zu essen wird hier zum Prinzip.

Wenn dein Problem beständige Heißhungerattacken auf Süßigkeiten sind und du daher deinen Geschmack neu aufbauen willst, solltest du auch von einem halben Teelöffel Honig in deine Milch verzichten. Der Glaube, dass alles ohne Süße fad schmecke, und die daran gekoppelte Gewohnheit alles mit Zucker, Honig, Ketchup ein bisschen aufzupeppen, müssen zunächst einmal völlig ausgemerzt werden. Weil man nur sein Handeln direkt kontrollieren kann, ist der Honig erstmal tabu.

Wenn du dich bereits seit Jahren von naturbelassenem Essen ernährst, macht ein Teelöffel Honig am Sonntag in deinem Tee überhaupt nichts aus. In der Seltenheit macht es aber auch überhaupt nichts, wenn du einen Teelöffel Zucker nimmst.

Zusammenfassung

Für die Beantwortung der Frage spielt es überhaupt keine Rolle, ob Honig nun Paleo ist oder nicht, so lange du die Steinzeiternährung nicht zum Dogma erhebst. Honig hat zwei Vorteile gegenüber Zucker:

  1. Im nicht erhitzten Zustand hat er ein klein wenig mehr Mikronährstoffe. Nämlich überhaupt welche.
  2. Im Zuge einer Ernährungsumstellung von verarbeiteten Produkten ist er als naturbelassenes Produkt ein erlaubtes Lebensmittel. Es geht hier aber nicht um den physiologischen Wert, sondern vielmehr um die Ausprägung von Gewohnheiten und Glaubenssätzen.

Es kommt allerdings auf die Umstände an, ob diese Vorteile relevant sind oder nicht. Manchmal spielt es tatsächlich keine wesentliche Rolle.

Das einzige Lebensmittel, dem Zucker zugesetzt wurde, dass ich esse ist die dunkle Schokolade (85% Kakao-Anteil). Und auch diese wird demnächst von mir vollständig entfernt. Ich halte Schokolade nicht für naturbelassen und es ist für mich eine wichtige Haltung naturbelassene Nahrung zu mir zu nehmen.

Fragen

  • Welche Lebensmittel süßt du noch regelmäßig nach?
  • Welchen emotionalen Wert hat die Naturbelassenheit des Lebensmittels für dich?

Fotos

Photo Credit: Tambako the Jaguar via Compfight cc


  1. Foster-Powell, K., Holt, S. H. A., & Brand-Miller, J. C. (2002). International table of glycemic index and glycemic load values: 2002. Am J Clin Nutr, 76(1), 5-56.  

  2. Ein weiteres Mittel der Zuckerindustrie ist sich immer auf die Kalorienbilanz zu berufen. Es sei nicht der Zucker, der dick mache. Man müsse eben darauf achten, dass man nicht zu viel esse.