Seth Roberts Selbstexperimente Einleitung & Teil 1 - Blutzucker und Gehen
Zusammenfassung: Seth Roberts ist verstorben. Ihm zu Ehren stelle ich einige seiner Selbstexperimente vor. Das erste Selbstexperiment betrifft den Blutzucker und Gehen.
Anlässlich des Todes von Seth Roberts werde ich einige seiner Selbstexperimente vorstellen. Noch wenige Tage vor seinem Tod habe ich mich per Email zu einem seiner Selbstexperimente ausgetauscht.
Seth Roberts habe ich als genialen Selbstexperimentierer erlebt, der gerade auch vor unkonventionellen Ideen nicht zurückgeschreckt ist. Einige seiner Ideen sind so abstrus, dass sich mir die Haare aufstellen. Er ist sie mit einer so ungewöhnlichen Präzision angegangen, dass ich sie alle als sehr wertvoll betrachte.
Ich habe erst kurz zuvor Kontakt zu ihm aufgenommen und wollte ihn mit der Gelegenheit gegenseitigen Lernens ausbauen. Es ist seltsam, wie berührend der Tod eines Fremden sein kann. Er hat einen extrem aufgeschlossenen und freundlichen Eindruck gemacht.
Die Artikel sind immer gleich aufgebaut:
- Beschreibung des Experiments
- Erklärungsmodelle zum Ergebnis
- Verbindung zu den Kategorien der Gesundheit
- Vorschläge zur Alltagseinbindung
Wenn du die Kategorien der Gesundheit noch nicht kennst, dann schlage ich vor, dass du an dieser Stelle nochmal beide Teile liest. So wirst du das meiste meiner Darstellung Seth Roberts Selbstexperimenten lernen können.
Kategorien der Gesundheit
Beachte bitte, dass diese Selbstexperimente keine hinreichend belegten Zusammenhänge darstellen. Es ist ein n=1, wie das geflügelte Wort der Szene zu sagen pflegt. Die Selbstexperimente sind Anlass fragen zu entwickeln und weiter in der Literatur zu forschen.
Blutzucker und Gehen
Dieses Experiment hat Seth in seinem Beitrag The Growth of Personal Science: Implications for Statistics vorgestellt.
Seth hat festgestellt, dass sein Blutzucker nach dem Nachtfasten erhöht war. Er hat zunächst versucht durch weniger Kohlenhydrate in der Ernährung den Blutzucker herunter zu kriegen. Anfänglich hat das funktioniert, doch er war mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Der Blutzucker war immer noch zu hoch.
[pullquote position="right" hidden="true"]Telefoniere stehend oder gehend.[/pullquote]
Eines Tages stellte Seth fest, dass sein Blutzucker deutlich niedriger war als sonst. Er hatte an diesem Tag 30min extra zu Fuß zurückgelegt. So beschloss er als Selbstexperiment 50-60min jeden Tag spazieren zu gehen.
Sein Blutzucker wurde wesentlich besser als sonst.
Erklärung
Als Professor für Psychologie führt Seth mit hoher Wahrscheinlichkeit ein typisches Leben unserer Moderne: Viel sitzen. Er hat bereits 3x/Woche Ausdauertraining gemacht. Das war anscheinend nicht genug. Doch warum?
Sitzen ist ein großer Risikofaktoren für die Gesundheit, weil der Körper in Phasen solch sehr geringer Aktivität gleich massiv die Fähigkeit reduziert hat Glucose zu verstoffwechseln. Das heißt genauer: Sobald du länger sitzt entwickelst du eine milde Insulinresistenz.
Dass du vielleicht sogar 5x/Woche Sport machst und am Eisen oder mit den Laufschuhen mehrere Liter Schweiß verlierst, spielt keine Rolle. Das klassische Leben unserer Konsumgesellschaft bedeutet, dass du unglaublich viele Stunden des Tages mit einer schlechten Blutzuckerkontrolle verbringst.
Eine geringe körperliche Aktivität führt zu allerlei gesundheitlichen Problemen:
Nach den Daten der Nurses’ Health Study führt weniger als 2.5h/Woche moderate Aktivität (z.B. strammes gehen) zu folgenden Risiken:[^booth2002]
- 22% höheres Risiko für Brustkrebs
- 41% höheres Risiko zu sterben
- 43% höheres Risiko für eine Erkrankung der Herzkranzgefäße
- 49% höheres Risiko für Gallensteine
- 85% höheres Risiko für Typ 2 Diabetes
- 85% höheres Risiko für Dickdarmkrebs
- 85% höheres Risiko für diabetische Erkrankung der Herzkranksgefäße
-
117% höheres Risiko für Schlaganfälle
Brown et al.1 stellten fest, dass Inaktivität ein größeres Risiko für Herzerkrankungen bedeutet als der BMI, Rauchen oder hoher Blutdruck.
Kategorien der Gesundheit
Die Verbindung zu den Kategorien der Gesundheit liegen vor allem im Bereich der Bewegung und Mobilität. Auch eine kohlenhydratreduzierte Kost hat Seth trotz 3x/Woche Sport nicht in einen akzeptablen Blutzuckerspiegel geführt.
Besonders Nichtbewegung ist ein Problem unserer Gesellschaft. Ich argumentiere dafür, dass sowohl Bewegung als auch Nichtbewegung zu einem erhöhten Bedarf an Mobilisierung führt.
Zur Mobilisierung gehört auch leichte Aktivität. Normalerweise denke ich dabei immer an eine Gesundheit der Gelenke und Bindegewebes. Doch für den Energiestoffwechsel ist beständige aber moderate Aktivität mindestens eben so wichtig.
Einbindung in den Alltag
Ich mache meine Zwischenroutinen. Alle 20min stehe ich auf und laufe auf der Stelle, mache ein paar Burpees oder mache allgemeine Mobilisierungsübungen.
Du solltest jede Gelegenheit zur Aktivität nutzen.
- Wenn du ein iPad hast, kannst du alles, was du auf dem PC liest, im Gehen mit dem iPad lesen. Wenn du viel am PC konsumierst (lesen, Videos gucken), dann stell' dich vor den PC, mach' ein paar Kniebeugen oder Hampelmänner.
- Benutze keine Fahrstuhl. Gehe möglichst jeden Weg zu Fuß, anstatt ihn mit dem Auto zu fahren. Gehe kurze Strecken lieber zu Fuß, anstatt auf das Fahrrad zu springen.
- Wenn du auf Toilette gehst, mache ein paar Kniebeugen (vorher oder hinterher)
- Telefoniere stehend oder gehend.
- Nutze jede Gelegenheit.
Deine Gesundheit wird es dir danken.
Fragen
- Wie viele Stunden des Tages verbringst du normaler Weise mit ununterbrochenem Sitzen? Wie viele insgesamt?
- An welchen Stellen deines Tages kannst du für mehr leichte Aktivität sorgen?
- Welche Hürden gibt es und wie kannst du sie überwinden?
Bilder
Photo Credit: Tambako the Jaguar via Compfight cc
-
Brown, W. J., Pavey, T., & Bauman, A. E. (2014). Comparing population attributable risks for heart disease across the adult lifespan in women. Br J Sports Med. ↩