Beispiel: Muskelaufbau

Zusammenfassung: Improved Eating ist ein Konzept, dass sich jedem Anspruch anpassen soll. In diesem Beitrag stelle ich einen von mir betreuten Trainierenden vor. Es geht hier um Muskelaufbau bei möglichst niedrigem Körperfettanteil.

LowCarb Muskelaufbau

Ich gehe hier folgend vor:

  1. Ich stelle den Trainierenden Max (Pseudonym) vor.
  2. Ich stelle jeweils die Trainingsphasen vor.
  3. Dann stelle ich die Ernährungsstrategie vor und kommentiere mein Vorgehen.
  4. Am Ende gibt es ein paar vergleichende Bilder und ein paar Daten.

Max

Der Trainierende Max ist ein junger und athletischer Mann Anfang 20 (das sind dankbarsten Trainierenden). Er hat zwei Jahre Trainingserfahrung gehabt, als wir angefangen haben sowohl Ernährung als auch Training umzustellen.

Er ist sehr diszipliniert und weicht meist nur sehr geringfügig von meinen Vorgaben ab. So macht es Spaß und ich bin bereit höhere Risiken einzugehen und mehr Zeit zu investieren. Das bedeutet, dass der Coachingteil leicht ist. Ein guter Trainer kann selbstverständlich mit jedem Menschen umgehen. Es ist eben mal anstrengender und mal weniger anstrengend.

Seine Ernährung bestand vormals aus einer klassischen Bodybuildingernährung mit Masse- und Definitionsphasen (an die Jahreszeiten angepasst). Das heißt, dass er Antinährstoffen wenig Beachtung geschenkt und vor allem mit den Konzepten Makronährstoff und Kalorie gearbeitet hat. Die Ernährung war in seinem Sinne, weitgehend sauber. Daher musste ich mich vor allem um die Sachfrage der Ernährung kümmern und weniger um Glaubenssätze.

Sein zentrales Ziel ist der Muskelaufbau bei gleichzeitig geringem Körperfettanteil. Ein sehr klassisches Ziel, dass sich vor allem auf das Aussehen richtet.

Als Trainer sehe ich es als meine Aufgabe so auf den Trainierenden einzuwirken, dass er bestimmte Trainingsmaßnahmen auch toleriert. Ich habe also selbst Ziele, der Trainierende nicht unbedingt verfolgt, aber Mittel zu seinen Zielen sind. Mein Ziel ist es seine Trainierbarkeit zu erhöhen. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.

Meine Ziele

  1. Prozessorientierung. Das ist einer wichtigsten Anlagen eines Trainierenden. Ich habe Max regelmäßig erklärt, welchen Zeitverlauf die Progression im Training nehmen wird. Er ist jung und sehr ehrgeizig, weshalb er sich beim Trainings belastet fühlen will. Es war für ihn eine erste Hürde zu erkennen, dass Trainingseinheiten dann produktiv sind, wenn sie dem Zweck gemäß durchgeführt werden - ob sie nun anstrengend sind oder nicht.
  2. Frustrationstoleranz. Als Trainierender muss man lernen, dass es nicht immer sinnvoll ist, was man gerade möchte. Es ist schwer den Überblick zu behalten, auch wenn man sich schon tiefer mit der Materie beschäftigt hat. Ich will Frust durch Akzeptanz ersetzen.
  3. Erhöhung der Belastbarkeit. Je mehr man trainieren kann, desto leichter kann man Fortschritte erzielen. Im klassischen Bodybuilding belastet man eine Muskelgruppe meist nur 1-2x/Woche. Ich bin der Meinung, dass man in Hinblick auf seine Arbeitskapazität fähig sein sollte, jeden Muskel alle 24-36h zu belasten.[^201402171715frequenz] Abstriche in der Trainingsfrequenz sollte man immer dann machen, wenn die Gesundheit (körperlich und psychisch) in Gefahr wäre.
  4. Trainingsrationalität. Max ist jung und ehrgeizig. Das macht ihn spontan und vor allem zu unüberlegten Dingen fähig. Anstatt Gewichte genau auszurechnen, wie ich es ihm gesagt habe, hat er die Gewichte ungefähr abgeschätzt. Das ist normal und als Trainer sollte man sich davon auch nicht beunruhigen lassen. Vielmehr ist das ein Zeichen davon, dass man es als Trainer versäumt hat vorher aufzuklären und das der Trainierende ehrgeizig ist. Ich verwende so ein Verhalten, damit ein Trainierender selbst spürt, welchen Sinn manche Anweisungen haben. So ist das Training zwar manchmal nicht ganz optimal, dafür ist der Lerneffekt um so größer. Auf lange Sicht gesehen unterstützt dies den Trainingsfortschritt und -sicherheit.

Soweit der Einblick in ein paar meiner Coaching-Strategien. Mein Ziel ist es so viel Selbstständigkeit beim Trainiernden zu automatisieren wie möglich. Ich lege keine Verantwortung auf den Trainierenden. Ich gehe von meiner Verantwortung für das Verhalten des Trainierenden aus, auch wenn es manchmal de facto nicht zutrifft. Aus dieser Annahme heraus bin ich aber immer in der Haltung das Verhalten des Trainierenden verbessern zu wollen, anstatt irgendwann meine Aufmerksamkeit schleifen zu lassen.

Das heißt an allem, was der Trainierende falsch macht gebe ich mir die Schuld. Alles, was er richtig macht, führe ich auf die Eigenkompetenz des Trainierenden zurück.

Krafttraining

Phase 1

Montag

5x5 Kniebeuge
4x6 Bankdrücken, eng
3x8 Klimmzüge, mittelweit

3 Sätze Torture Twist

Dienstag

3x15 Kurzhantelbankdrücken
3x15 Kurzhantelrudern
3x15 Bulgarische Kniebeugen

3x15 Überkopf-Situps
3x15 Reverse Flys

Mittwoch

5x5 Bankdrücken, mittelweit
4x6 Klimmzüge, weit
3x8 Kniebeuge

3 Sätze Torture Twist

Donnerstag

3x15 Kurzhantelschulterdrücken
3x15 Kabelrudern, weit
3x15 Beinpresse, einbeinig

3x15 Überkopf-Situps
3x15 Reverse Flys

Freitag

5x5 Klimmzüge (stärkster Griff)
4x6 Kniebeuge
3x8 Bankdrücken, weit

3 Sätze Torture Twist

Samstag

Freies Training mit geringer Intensität und Platz zum experimentieren

Sonntag

Frei

Weitere Erklärungen

  • Die Pausenzeiten sind: 3min beim 5x5; 2min bei 4x6 und 3x8; die restlichen Pausenzeiten frei aber betont kurz.
  • Das 5x5 Gewicht bestimmt die anderen Gewichte: Wenn Max 5x5x100kg am Mittwoch beim Bankdrücken gemacht hat, hat er am Freitag 4x6x90kg und am darauf folgenden Montag 3x8x80kg genommen. Das Gewicht vom 5x5 ist also das Ausgangsgewicht und für 4x6 nimmt man 90% und für 3x8 nimmt man 80% davon.

Phase 2 - Ermüdung

Vorbemerkung: Max sollte die Gewicht leicht senken im Vergleich zur ersten Phase. Hier wird massiv Ermüdung aufgebaut. Für Max ist diese Phase sehr frustrierend und anstrengend. Hier lernt er, dass Ermüdung nicht immer ein gutes Training anzeigt. Er war es gewohnt, dass er seine Gewichte immer steigern konnte. Das fällt jetzt weg.

[pullquote position="right" hidden="true"]Am Refeedtag nimmt Max ab, obwohl er wirklich gigantische Mengen (auch Kohlenhydrate) isst.[/pullquote]

In der nächsten Trainingsphase wird die Ermüdung wegfallen. Max wird sich eine hohe Arbeitskapazität angeeignet haben, so dass er gut auf die nächste Phase vorbereitet sein wird. Auch die hat es in sich, wird aber vor allem psychisch weniger belastend.

So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe:

  1. Ich kann didaktisch auf Max einwirken, so dass am eigenen Leib den Prozess erfährt. Er trennt Ermüdung von Trainingserfolg und mit ein bisschen positiver Verstärkung lernt er sich auch durch schwere Trainingsphasen ohne direkte Erfolgserlebnisse durchzubeißen.
  2. Max baut seine Arbeitskapazität auf, so dass er in der nächsten Phase noch mal ordentlich an Gewicht bei den Übungen draufpacken kann. Das verlängert den Teil der dritten Phase, in welcher er sich kleinschrittig und kontinuierlich steigern kann.

Diese Phase fühlt sich nicht gut an und ist ohne Trainer schwer auszuhalten. Das sind die Äußerungen von Max während dieser Phase:

Zwischenbericht von Max: Wollte einen kleinen Zwischenbericht abgeben. Ich verliere tierisch an Kraft. Wöchenentlich die Gewichte steigern ist überhaupt nicht mehr möglich, egal bei welcher Übung. Selbst bei Klimmzügen bin ich mit 30kg bei 10 oder 12 wdh total am Ende und schaffe es teilweise gar nicht erst. [Anmerkung: Klimmzüge sind Max' stärkste Übung]

Zwischenbericht von Max: Gewicht schwankt neuerdings zwischen 66 und 68kg. Außerdem hatte ich noch nie so wenig Kraft wie jetzt. 10x3 Klimmzüge mit 40kg sind nicht mehr möglich. Bei meiner Paradedisziplin falle ich in ein tiefes Loch. Bank und Beuge ist ~75-80kg, aber da geht auch nicht viel mehr. Zudem leidet meine Form auch noch. Vor 3 Wochen sah ich muskulöser aus, obwohl ich leichter war. Bin recht unzufrieden mit der jetzigen Entwicklung. [Anmerkung: Das schwammige Aussehen ist ein Hinweis auf Ermüdung. Cortisol und Entzündung sind oben]

Montag

10x3 Kniebeuge
4x10 Bankdrücken
3x12 Klimmzüge

3 Sätze Torture Twist
3 Sätze Reverse Curls

Dienstag

5x10 Kurzhantelbankdrücken
5x10 Rudern, sitzend
5x10 Bulgarische Kniebeuge

5x10 Reverse Fly
5x10 Situps

Mittwoch

10x3 Bankdrücken
4x10 Klimmzüge (letzten Sätze gingen nicht bis zum Ende)
3x12 Kniebeuge

3 Sätze Torture Twist

Donnerstag

5x10 Kurzhantelschulterdrücken
5x10 Kabelrudern, weit
5x10 Beinpresse, einbeinig

5x10 Überkopf-Situps
5x10 Reverse Flys

Freitag

10x3 Klimmzüge
4x10 Kniebeuge
3x12 Bankdrücken
1x5 Kreuzheben

3 Sätze Torture Twist
3 Sätze Shrugs
3 Sätze Reverse Curls

Phase 3 - Neue Muskelmasse

Die Gewichte vom 10x3 hat Max auf 90% reduziert und dann damit 12x2 gemacht. In der ersten Woche hat er lediglich 8 Sätze gemacht.

Montag

12x2 Kniebeuge 1min Satzpause
12x2 Dips, 1min Satzpause
3x10 Kurzhantelflys
3x12 Beinbeuger

Dienstag

12x2 Bankdrücken, weit 1min Satzpause
12x2 Klimmzüge, eng 1min Satzpause
3x10 Reverse Flys
3x12 Wadenheben

Mittwoch

12x2 Klimmzüge, Hammergriff 1min Satzpause
6x2 + 6x1 Kreuzheben 1min Satzpause
3x12 Außenrotatoren
3x10 Bizepscurls, Langhantel

Donnerstag

12x2 Beinpresse, 1min Satzpause
12x2 Schulterdrücken, stehend
3x10 Reverse Flys
3x12 Wadenheben

Freitag

12x2 Bankdrücken 1min Pause
12x2 Klimmzüge, weit
3x10 Trizepsdrücken
3x12 Flys an der Maschine

Samstag

12x2 Klimmzüge 1min Pause
12x2 Powershrugs 1min Pause
3x10 Frontheben
3x12 Beinbeuger

Sonstiges

Bauchtraining besteht aus rotierenden Übungen á vier Sätzen bis zum Versagen.

Ernährung

  • Er hat intermittierendes Fasten betrieben, wobei sein Frühstück aus einen Tee mit Kokosöl bestand. Das Fasten hat er mit Gemüse/Salat gebrochen. Sein Fastenfenster hat 14-16h betragen. Er hat eine Mahlzeit vor dem Training gegessen und den Rest der Kalorien nach dem Training.
  • Die einzige Kohlenhydratquelle war Anfangs 50g Dextrose direkt nach den schweren Trainingseinheiten (Phase 1 und 2). Über den Wochenverlauf habe ich diese durch Reis und etwas mehr Dextrose erhöht. In der dritten Phase ist Max wieder auf die Anfangsernährung mit einem Refeedtag zurückgegangen.
  • Die Kalorien werden und wurden im Verlauf des Trainingsverlaufs erhöht.1
  • In der dritten Phase kam noch 50g Butter in den Tee dazu. Darüber hinaus gilt jetzt striktes Verbot von Getreide, Zucker und pflanzlichen Ölen (außer Tropenöle und Olivenöl). Aktuell isst Max mindestens 3500kcal bei einem Körpergewicht von 68-69kg

[pullquote position="right" hidden="true"]Das intermittierende Fasten ist für ihn als Hardgainer von besonderem Vorteil.[/pullquote]

Zwischenbericht von Max: Was mir noch aufgefallen ist, dass ich seit dem Carb-Cycling extrem krassere Vaskularität habe. Gestern Nacht hatte ich noch Tapeten von der Decke meines Badezimmers abgekratzt und dabei kamen 2-3 komplett neue Adern auf meinem Bizeps zum Vorschein.

Anmerkung

  • Ich lasse Max 2x/Woche einen Zwischenbericht abgeben. Das Trainingsvolumen ist wirklich hoch und deswegen kontrolliere ich alle Auffälligkeiten engmaschig. Ansonsten würde ich keinen so anspruchsvollen Plan verwenden. Darüber hinaus hat Max einige Trainingserfahrung und ist koordinativ gut aufgelegt.
  • Er macht einmal pro Woche Kickboxen und geht noch einmal pro Woche schwimmen.
  • Kräftigungsteil der Morgenroutine war Pflicht. Das hat er gegen Ende aber immer mehr schleifen lassen. Sie hat zwischen 15 und 20min gedauert.

Kommentare

  • Das Carbcycling ist bei Max unabdingbar, weil er durch bei einer üblichen Kohlenhydratzufuhr kaum bis schwer an Muskelmasse aufbauen kann. Am Refeedtag nimmt Max ab, obwohl er wirklich gigantische Mengen (auch Kohlenhydrate) isst. Das Carbcycling ermöglicht es ihm das Muskelglykogen aufzufüllen und trotzdem lange Phasen ohne größere Kohlenhydratzufuhr auszukommen. Meiner Erfahrung nach gibt es einen bestimmten Typ Hardgainer, der extrem schlecht auf eine hohe Kohlenhydratzufuhr reagiert. Ich gehöre dazu, wobei meine Gainz leistungsbezogen sind.
  • Das intermittierende Fasten ist für ihn als Hardgainer von besonderem Vorteil. Er kann so größere Mahlzeiten zu sich nehmen und sein Training gefastet absolvieren. Auf der einen Seite verstärkt er so die anabole Antwort auf das Training[^Deldicque2010] durch die Nahrung auf der anderen Seite erhöht er gleichzeitig die Nahrungsdichte- und menge nach dem Training. Die Morgenroutine wirkte dabei unterstützend.
  • Die Ernährung muss dem progressiven Verlauf des Krafttrainings folgen. Er soll nicht viel sondern mehr essen.
  • Auch wenn es um Muskelaufbau geht, sollte man tunlichst die Finger von Getreideprodukten, pflanzlichen Ölen und Zucker lassen. Es läuft alles auf eine Steinzeiternährung hinaus. So erhöht man die Mikronährstoffdichte, so dass der Körper die nötigen Vitamine und Mineralstoffe für die schweren Umbauprozesse zur Verfügung hat. Je stärker man sich belastet, desto wichtiger ist das. Gerade das macht es so wichtig, dass man in einer Aufbauphase kein Junkfood isst.

Max Bilder

Max konnte seinen Körperfettanteil halbieren. Per 7-Falten-Methode mittels eines Kalipers von 10.3% auf 4.8% (Gemessen an der Optik sollte der tatsächliche Körperfettanteil höher liegen). Sein Körpergewicht konnte er halten bis leicht steigern. Auch die Umfänge konnte er steigern.

Zusammengefasst: Er ist definierter als in seiner Definitionsphase und massiger als in seiner Massephase.

In der zweiten Phase ging es etwas bergab, was aber vorhersehbar ist.

Nun ist es für Max an der Zeit neue Muskelmasse draufzupacken. Ich plane in den nächsten Wochen 2-3kg an Gewicht bei gleichem oder niedrigerem Körperfettanteil.

LowCarb Muskelaufbau

Fragen

  • Hast du schon einmal eine LowCarb Ernährung zum Muskelaufbaue verwendet? Hast du darauf geachtet, besonders viel Fett zu dir zu nehmen?
  • Kennst du Hardgainer, deren Problem nicht die Unfähigkeit viel zu essen ist?

Bilder

Photo Credit: Charles Williams via Compfight cc


  1. Ich verwende das Konzept der Kalorien, weil das Verhältnis der Makronährstoffe weitgehend durch die Nahrungsauswahl fixiert ist. So kann ich dem Trainierenden einfache Anweisungen geben, während ich mir gleichzeitig auch keine weiteren Gedanken um die Makronährstoffverteilung machen muss.