Kalorienbilanz, Teil III, Feltham & Berardi

Zusammenfassung: Die Kalorienbilanz ist ein unzureichendes Modell um die Ernährung zu steuern. Im dritten Teil stelle ich vier Fallbeispiele dar, welche die Kalorienbilanz ad absurdum zu führen scheinen. Kann eine drastische Erhöhung der Kalorienzufuhr einen Verlust an Körperfett zur Folge haben?

Hier geht es zu den vorherigen Teilen der Serie:

Sam Feltham und 5000kcal pro Tag

Sam Feltham hat ein Selbstexperiment durchgeführt. Für 21 Tage hat er 5000kcal pro Tag gegessen. Sein Ernährung sah folgendermaßen aus:

Frühstück – Rührei mit Lachs und grüne Bohnen Snack - Walnüsse Mittag – Makrele mit grünen Bohnen Snack – Pecannüsse Dinner – Rindersteak mit grünen Bohnen Snack – Mandeln

Wenn man nur nach der Kalorienbilanz versucht seine Gewichtsveränderung vorherzusagen, sollte er am Ende der 21 Tage erheblich mehr wiegen. Hier die Grafik über den Verlauf des Experiments.

Anmerkung: Bis zur Fertigstellung des Beitrags hatte ich leider keine Erlaubnis die Graphik zu nutzen. Daher nur der Link.

  • Der gelbe Graph zeigt den Gewichtsverlauf, den das übliche Modell der Kalorienbilanz vorhersagt.
  • Der blaue Graph zeigt den tatsächlichen Gewichtsverlauf an.
  • Der orange Graph zeit den Bauchumfang an.

Das ist selbstverständlich keine Studie mit den üblichen Absicherungen (Kontrollgruppe, placebokontrolliert usw.). Es ist lediglich ein Fallbeispiel, doch die Thermodynamik lässt keine Ausnahmen zu und keine statistischen Ausreißer. Wenn die Kalorienbilanz gilt, dann gilt sie selbstverständlich auch hier. Das heißt, dass auch diese eine Fallstudie schon hinreicht um die Kalorienbilanz in ihrer herkömmlichen Verwendung in Frage zu stellen.

In diesem Fall können wir uns nur für zwei Dinge entscheiden:

  1. Wir geben die Thermodynamik auf und revolutionieren die Physik.
  2. Wir erklären, wie sich das Verhältnis von Energieaufnahme und -abgabe neu gestaltet hat.

Was ist das Problem mit der herkömmlichen Verwendung der Kalorienbilanz? Sie sagt einen ziemlich steilen Anstieg des Körpergewichts voraus, doch dieser blieb aus.

Noch viel überraschender ist, dass Feltham seinen FM-Score verbessern konnte, was darauf hindeutet, dass er entweder an Körperfett verloren oder an Muskelmasse gewonnen hat.

Er hat leicht an Gewicht (1.3kg) zugelegt und dabei 3cm am Bauch verloren. Das ist für 21 Tage sehr beachtlich.

Wie können wir die Kalorienbilanz retten? Sehen wir uns zunächst Felthams Erklärung dafür an:

Feltham schreibt, sein Körper habe reguliert um die Homöostase, also den stabilen Zustand, aufrecht zu erhalten. Er habe nicht zugenommen, weil er Real Food, unverarbeitete Nahrung, gegessen hat. Verarbeitete Nahrung verhindert in seiner Metapher die Möglichkeit des Körpers das Depotfett zu nutzen. Seine erhöhte Kalorienzufuhr ging also einher mit einem erhöhten Energieverbrauch.

Seine These wird durch dies hier unterstützt: Link

Leider habe ich keinen Zugriff auf den Volltext, weshalb ich mich auf die Ausführungen des Beitrags selbst beziehe. Diese Studie legt nahe, dass die Ergebnisse der Studien zu einem erheblichen Teil davon abhängen, welche Qualität die Nahrung hat. Die synthetische Nahrung führte zu einer Verschlechterung der Gesundheitsmarker, während die Unbelassenere dies nicht tat. Das war unabhängig von der Makronährstoffverteilung.

So, have the synthetic rodent diets fooled us? Probably yes. And what about the synthetic Standard American Diet? Well, it may not have fooled, but certainly killed us - at least several millions of us.

Also, hat uns die künstliche Nagerernährung an der Nase herumgeführt?. Wahrscheinlich schon. Und was ist mit der künstlichen Standardernährung? Nun, sie hat uns vielleicht nicht an der Nase herumgeführt, aber sicher getötet - mindestens einige Millionen von uns.

Der entscheidende Kniff von Feltham ist, dass er sich auf eine Regulierung bezieht. Der Körper passt sich an eine Veränderung der Kalorienzufuhr an und reguliert entsprechend auch den Verbrauch nach. (Das heißt aber nicht, dass man beliebig viel essen kann)

Hier (Link) ist das gesamte Experiment zu finden. Wer nur eine Zusammenfassung haben will, sollte hier (Link) klicken

John Berardi Fallbeispiele

John Berardi gibt hier (Link) drei Beispiele von seinen Klienten an. Die Gemeinsamkeit bei allen ist, dass die Veränderungen folgendes bedeutet haben: Sie haben nur wenig mehr verbraucht oder haben den Verbrauch gleich gehalten und wesentlich mehr Energie zugeführt.

  1. Die Skilangläuferin (Nationales Leistungsniveau) blieb bei einem Leistungsumsatz von 1200kcal und erhöhte ihre Energiezufuhr von 2500kcal auf 4000kcal. Sie nahm in 12 Wochen 11.33kg ab. Davon waren 10,4kg Fett und 0,9kg Muskeln.
  2. Der Gewichtheber (Anfänger) erhöhte seinen Leistungsumsatz von 200kcal auf 600kcal und erhöhte seine Energiezufuhr von 1700kcal auf 2200-2400kcal. Er nahm 8.8kg Fett ab und dafür 5.7kg Muskelmasse zu. Das bedeutet ein Nettogewichtsverlust von 3.2kg
  3. Der Kampfsportlehrer erhöhte seinen Leistungsumsatz von 300kcal auf 600kcal und erhöhte seine Energiezufuhr von 1100-1500kcal auf 2400-2600kcal. Er verlor 6.2kg Fett und gewann 9.8kg an Muskelmasse. Das bedeutet eine Gewichtszunahme von 3.6kg.

Alle Klienten hielten ihr Gewicht vorher stabil. Gemäß des Modells der Kalorienbilanz sollten alle, insbesondere die erste Klientin und der dritte Klient, erheblich zunehmen. Vor allem an Körperfett

Während die erste Klientin jede Menge an Fett verloren hat, erfuhr der dritte Klient eine Rekomposition seines Körpers. Zwar nahm er 3.6kg zu, hat aber unterm Strich eine ganze Menge an Körperfett verloren, obwohl (weil?) er mehr Kalorien zugeführt hat.

Mit dem klassischen Modell der Kalorienbilanz ist das nicht erklärbar.

John Berardi gibt ein alternatives Modell der Energiebalance an. In seinem Modell interagieren Energieaufnahme und -abgabe. Sie bedingen sich gegenseitig. Außerdem ist man in jedem Augenblick im kalorischen Gleichgewicht, wenn man seinem Modell folgt. (Das Speichern von Energie im Körperfett ist auf der Verlustseite)

Dem Problem, dass die Kalorienbilanz in klassischer Verwendung nur den Körper als Ganzes und undifferenziert abbildet, wird Berardi hier gerecht. Mehr zu dieser Kritik in diesem Beitrag (Link)

In seinem komplexen Modell der Kalorienbalance taucht die Energielagerung im Depotfett als Punkt der Energieabgabe auf. Leider erwähnt er in dieser Ausführung nicht die Glykogenspeicher, welche ebenfalls ein Speicher für Energie im Körper sind. Berardi nennt nur das Körperfett.

Dass die Kalorienbilanz wichtige Unterschiede der Wirkungsweisen der Nährstoffe außer Acht lässt, begegnet Berardi zwar nicht direkt, aber immerhin findet sich jetzt Anschlüsse durch die Unterscheidung zwischen den Hitzeverlusten, Lagerung und Leistungsumsatz. Von hier aus können wir weitere Überlegungen anstellen, wie ein Lebensmittel sich auf die drei Klassen des Energieverbrauchs auswirkt. 1

John Berardi erweitert das klassische Modell der Kalorienbalance und wird damit der Komplexität des Körpers gerechter.

Das Modell richtet sich zwar weder auf den eigentlichen Untersuchungsgegenstand (Körperfett) noch auf die Wirkungsweisen der einzelnen Nährstoffe. Allerdings gibt es endlich einige Anschlussmöglichkeiten um diese Probleme einzubeziehen.

Abschließende Gedanken

Ich habe Berardis Modell bereits selbst angewendet:

  • Meinen besten Kumpel habe ich zum Abnehmen auf eine 4500-5000kcal Diät gesetzt und sein Sportpensum erhöht. Er hat drastisch an Körperfett verloren und an Muskulatur gewonnen.
  • Ich selbst habe meine Kalorienzufuhr gesenkt und gleichzeitig meine Form des intermittierenden Fastens angefangen. Trotz Senkung der Tageskalorien habe ich etwa 3kg zugenommen. (kein sichtbares Körperfett)
  • Die Freundin von meinem besten Kumpel stellt fest, dass sie bei weniger Nahrungszufuhr wieder an Körperfett zulegt. (Auch sie ernährt sich im groben nach meinen Empfehlungen)

Ich wiederhole mich vorsichtshalber: Wir haben alle nicht einfach mehr oder weniger gegessen. Alle Maßnahmen gingen mit weiteren Veränderungen einher. Meinen Kumpel und seine Freundin habe ich auf eine kohlenhydratarme, Pseudopaleokost gesetzt. Ich habe dagegen parallel zur Senkung meiner Kalorienzufuhr, meine Essenszeiten verändert.

Die Kalorienbilanz, wie sie immer als Mantra heruntergebetet wird, entpuppt sich immer mehr als fehlerhaftes, manchmal sogar einfach irreführendes Modell. Es ist ein Standardmodell, doch das war das geozentrische Weltbild auch mal.

Fragen

  • Wie stark ist dein Widerstand gegen die Idee abzunehmen, weil du mehr isst?
  • Kennst du Fälle von solchen scheinbar paradoxen Vorkommnissen? Wie hast du dir das erklärt?

Bilder

Photo Credit: jurvetson via Compfight cc

Grafik von Smash the Fat: Mit freundlicher Genehmigung von Sam Feltham


  1. Protein deutlich aufwändiger zu verstoffwechseln als die anderen Makronährstoffe. Die Verarbeitung führt zu einem erhöhten Energieverlust als Wärme. Siehe auch dazu die postprandiale Thermogenese