LeanGains-Studie - Was steckt dahinter?

Wissenschaftler haben ein Experiment durchgeführt, das LeanGains recht ähnlich zu sein scheint. LeanGains ist das berühmte Fastenprotokoll, das Martin Berkhan zusammengestellt hat. Sie verglichen den Unterschied zwischen einer gewöhnlichen Verteilung der Mahlzeiten über den Tag mit einer Konzentration der Mahlzeiten innerhalb von 8 Stunden (13h, 16h, 20h). Zusätzlich führten sie ein Krafttraining durch. Die Probanden hatten alle über fünf Jahre Erfahrung mit Krafttraining und trainierten die letzten drei Jahre regelmäßig.

Herausgekommen ist Folgendes:

  1. Kein Unterschied der Muskelmasse. Keine der Gruppen baute Muskeln auf oder ab.
  2. Die IF-Gruppe verlor 1,6kg Fett, während die andere Gruppe keine Änderung zu verzeichnen hatte.
  3. Das Gesamttestosteron und das IGF-1 sanken bei der IF-Gruppe, bei der anderen nicht.
  4. (Nüchtern) Blutzucker und Insulin sanken bei der IF-Gruppe recht stark. (von 97 auf 86 mg/dL)
  5. Die Entzündungswerte sanken bei IF, während die andere Gruppe keine Veränderung zu verzeichnen hatte.
  6. Der respiratorische Quotient sank bei der IF-Gruppe, was darauf hindeutet, dass sie einen etwas höheren Fettstoffwechsel hatten. (Später dazu mehr)

Es gab einige interessante Aspekte bei dieser Studie:

  1. Es gab keinen Nachteil in Bezug auf die Muskelmasse, obwohl das Gesamttestoston und IGF-1 sanken. Dazu später mehr.
  2. Recht großer Fettverlust, obwohl es keinen Unterschied bei der Nahrungsaufnahme gab.

Allerdings ist diese Methode alles andere als mit LeanGains vergleichbar:

Background

TRF allows subjects to consume ad libitum energy intake within a defined window of time (from 3–4 h to 10–12 h), which means a fasting window of 12–21 h per day is employed. A key point concerning the IF approach is that generally calorie intake is not controlled, but the feeding times are.

Das ist falsch. Der Fehler der Autoren liegt darin, einen Aspekt zu betrachten und ihn als die Essenz des Intermittierenden Fastens zu betrachten. Die Praxis der intermittierend Fastenden besteht aus wesentlich mehr als nur der Beschränkung des Essensfensters. Intermittierend Fastende müssen meistens übrigens sogar mehr pro Tag essen, weil sie die Effekte des Fastens ausgleichen müssen. Zum Beispiel eine verstärkte Wirkung von Katecholaminen.

Die LeanGains-Methode, welche Martin Berkhan zusammengestellt hat, beinhaltet ein Carb-Cycling, den strategischen Einsatz von BCAAs, Calorie-Cycling und eine bestimmte Trainingsmethode. LeanGains ist nicht einfach nur das 16/8-Fasten-Essen-Protokoll.

Es gibt zwei mögliche Gründe, weshalb die Autoren dies schreiben:

  1. Sie wollen es sich einfacher machen. Wissenschaftler isolieren vornehmlich einzelne Faktoren im Experiment. Sie wollen die Effekte, welche sie in der Studie messen, möglichst einer Ursache zuweisen. Das hat mit einer ganzen Reihe von Annahmen zu tun, die unserem modernen Begriff von Wissenschaftlichkeit zu Grunde liegen. Dabei geht es nicht nur um die Sauberkeit der Wissenschaft sondern auch erst um die Möglichkeit, Wissenschaft zu betreiben.
  2. Sie haben keine Ahnung, nur überflächlich recherchiert oder sind aus anderen Gründen nicht mit der eigentlich Praxis vertraut. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, viele Wissenschaftler haben von der echten Welt keine Ahnung. Das spiegelt sich leider auch in ihrer Forschung wider, denn allzu häufig sind Mechanismen wesentlich besser erforscht als ihre Kontexte.

Methods

Die Probanden wurden durch Werbung in einem Fitnessstudio angeworben. Davon sind sieben Probanden ausgeschlossen worden, weil sie früheren Steroidkonsum angaben. Das ist ein Faktor, den ich noch gar nicht bedacht habe. (Hat da wer gelogen?)

Bei der Ernährung fehlt wiederum ein Aspekt, den Berkhan in die LeanGains-Methode aufgenommen hat. Die Probanden der IF-Gruppe sollten alle drei Mahlzeiten gleich groß halten, während die LG-Methode nahe legt, die mit Abstand größte Mahlzeit nach dem Training zu sich zu nehmen.

Die Ernährung wurde nur auf Basis von Interviews festgestellt, die erhebliche Probleme machen. Menschen erinnern sich häufig falsch an das, was und wie viel sie gegessen haben.

Das Training wurde nicht gefastet durchgeführt. Vielmehr wurde das Training nach der größten Mahlzeit durchgeführt. Das Krafttraining mit intermittierendem Fasten zu kombinieren, wird gerade da interessant, wo man auch gefastet trainiert. Sie haben ihre zweite Mahlzeit zwischen 16 und 17 Uhr eingenommen. Das Training war auf 16--18 Uhr angesetzt. Womöglich haben sie sogar beide Mahlzeiten vor dem Training gegessen, was die schlechteste Lösung von LeanGains ist.

Bei den Bluttests wäre es im Falle der intermittierend Fastenden interessant gewesen, wie sich die Werte im Tagesverlauf verändern. Auch darum geht es schließlich beim IF. Man will dabei einen größeren Unterschied im Hormonprofil zwischen dem Fastenzustand und dem nach der Nahrung produzieren. Oder verschiebt sich die circadiane Rhythmik der Hormone sogar?

Results

  • Fettmasse: Bei IF sank sie leicht bei den anderen nicht. Was aber auch über eine niedrigere Kalorienaufnahme erklärbar ist.
  • Muskelmasse: Bei beiden gab es keine signfikanten Änderungen.

Es ist nicht weiter verwunderlich, weil keine der beiden Gruppen ihre Kraft in einem relevanten Maße steigern konnte. Die Veränderungen waren statistisch nicht signifikant. Wer nicht stärker wird, wird nicht muskulöser.

Die IF-Gruppe konnte ihre Entzündungswerte senken. Auch ihre Triglyceride sanken, während ihre Cholesterinwerte sich nicht änderten. Die Autoren verweisen zurecht darauf, dass die Änderungen klein sind, weil die Probanden bereits gute Werte hatten, als sie die Studie antraten.

Das Testosteron und das IGF-1 sank bei der IF-Gruppe. Auch das ist nicht weiter verwunderlich, weil die einzige Veränderung der IF-Gruppe eine Verlängerung einer katabolen Phase ist. Sie haben nichts getan, um die Effekte des IFs in diesem Punkt auszugleichen. Das ist aber wichtig, wenn man das intermittierende Fasten betreibt. Leider haben sie lediglich das Gesamttestosteron gemessen und nicht das freie (also wirksame).

Meine Schlüsse

Aus dieser Studie schließe ich quasi nichts für die Praxis als eine Bestätigung dessen, was wir sowieso schon wissen: Fasten ist gesund. Der Kontext des intermittierenden Fastens ist ganz entscheidend. Nicht umsonst schließt Berkhans Methode so viele andere Aspekte ein als lediglich eine Verlängerung der Fastenphase. Diese Studie zeigt mir vielmehr, wie wichtig es für Wissenschaftler wäre, tatsächlich auch Praktiker zu sein, oder enger mit Menschen zu arbeiten, welche tatsächlich Dinge in der echten Welt tun. Wissenschaftler missverstehen die wissenschaftliche Methode als eine Methode der Analyse der Realität. Der Schritt der Resynthese wird nur selten in den Prozess einbezogen.

Was ist der Unterschied zwischen Analyse und Synthese?

Mit Analyse ist die Zerlegung eines Ganzen in seine Bestandteile gemeint. Synthese dagegen ist das Zusammensetzen. Resynthese ist das Neuzusammensetzen. Hätten die Forscher dieser Studie diesen Schritt getan, wären sie auf Unterschiede gestoßen, welche ihr Experiment und die tatsächliche Praxis betreffen. Aber die Fehlannahme scheint schon dem Experiment zu Grunde zu liegen: Die Wissenschaftler nehmen an, dass es ausschließlich auf das Begrenzen einer Essensperiode ankommt.

Die Autoren haben auch eine Senkung des respiratorischen Quotienten erwähnt, die zwar statistisch signifikant (das heißt übrigens nur, dass man davon ausgeht, dass dies kein Zufall war) aber von 0.83 zu 0.81 keine relevante Effektgröße hat. Ein größeres Intervall wäre interessant gewesen, aber hier eigentlich keiner Erwähnung wert. Wirklich interessante Veränderungen wären Änderung am Rand, also nahe von 0,7 oder 1,0. Auch der p-Wert war mit 0.0421 auf der Grenze zur statistischen Signifikanz. Es ist übrigens nur eine willkürliche Festsetzung, ab wann wir von einer statistischen Signifikanz sprechen, was so etwas wie ein statistisches Existenzzugeständnis ist. Dieses Verhalten ist einem Doktor ähnlich, der auf die Testwerte guckt, feststellt, dass die Schilddrüsenwerte um ein Jota über den Grenzwerten für eine Schilddrüsenunterfunktion liegen, und einen Patienten nach Hause schickt, der eindeutige Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion hat.

Schlüsse für dich

Eigentlich keine. Bist du an Wissenschaft interessiert, informier dich über den wissenschaftlichen Konstruktivismus. Aber damit der Artikel nicht nur mentale Masturbation bleibt, will ich in Anlehnung an den Artikel selbst einige Tipps geben:

  1. Berücksichtige deine metabolische Flexibilität. Sie bestimmt darüber, wie viel und ob überhaupt du vom intermittierenden Fasten profitierst. Im Zweifel: Erhöhe erst deine metabolische Flexibilität, wenn du dir unsicher bist.
  2. Intermittierendes Fasten ist eine große Veränderung, welche Einfluss auf alle anderen Bereiche deines Lebens hat. Bedenke daher, dass du nicht nur die zeitliche Verteilung deiner Ernährung ändern solltest.
  3. Wenn du ein Krafttraining gefastet absolvierst, passe es an die neuen Anforderungen an.

Weitere Analysen zu der Studie:

Foto

Photo Credit: sashafatcat via Compfight cc