Abnehmen macht nicht glücklich - Ein Erfahrungsbericht
Ich freue mich, dass ich die Reflexion einer Frau zu veröffentlichen, welche viel abgenommen hat. Sie wünscht sich Anonymität, weshalb es keinen Hinweis (auch keine Bilder) auf ihre Identität geben wird, der über diesen Text hinausgeht.
Warum veröffentliche ich diesen Text? Ich will ein Beispiel für eine Reflexion geben, die zeigt, dass jemand den Weg gegangen ist, den ich mit ME-Improved aufzeigen will. Ja, es gibt Methoden, welche vielversprechender sind als andere. Es spricht einiges gegen Getreide und für intermittierendes Fasten. Das will ich nicht leugnen und viel meiner Arbeit läuft auf die Erforschung dieser Methoden hinaus. Doch mindestens genauso wichtig ist all die Hintergrundarbeit, welche nötig ist, damit man den Effekt erzeugt, den man auch wirklich erzeugen will. Der eigentliche Wunsch ist lediglich maskiert als die Suche nach einem dicken Bizeps oder einem flachen Bauch.
Geben wir nun der Dame das Wort:
Eine Suche nach Ruhe ohne Betäubung
Ich hatte schon oft versucht abzunehmen. Jedes weitere Scheitern hat mir vermittelt: ich bin undiszipliniert, eine Versagerin. Irgendwann hatte ich den Mut und die Hoffnung verloren. Mein Übergewicht war auf über 70kg angewachsen. Es würde länger als ein Jahr dauern so viel abzunehmen. Wie sollte ich das je schaffen? Mit so wenig Essen, so viel Sport? So vielen Versuchungen?
Ich hatte bisher immer meine Kalorien stark eingeschränkt und viel Sport getrieben. Das hielt ich einige Wochen durch und irgendwann hatte ich verständlicherweise keine Energie mehr und unbändigen Hunger. Ich konnte und wollte mich nicht mein restliches Leben auf Miniportionen und Eiweißshakes beschränken.
Meine einzigen Freuden waren Essen und Lesen und Filme gucken. Ich lebte zum großen Teil in meiner Phantasie. Ich hatte einen Job, der mich nicht befriedigte, keinen Partner, keine Freunde und nur Kontakt zu einem Familienmitglied. Ich überlegte, zu kündigen, in die USA zu ziehen und mich zu Tode zu fressen. Ich sah mich dort schon mit einem dieser kleinen elektrischen Roller für Dicke herumfahren.
Ich habe gekotzt, weil mein Magen vom Fressen zum Platzen gefüllt war. Ich musste mich beim Duschen auf den Badewannenrand setzen, weil ich Rückenschmerzen hatte und nicht lange stehen konnte. Ich war nach zehn Minuten Fußweg zum Bus schon verschwitzt. Ich ging zur Arbeit, einkaufen, in die Bücherei und dann ab aufs Sofa: essen, lesen oder DVDs gucken.
Meine Gewichtsabnahme von fast der Hälfte meines früheren Gewichts, hat in meinem Leben keinen Stein auf dem anderen gelassen. Es war spannend und beängstigend und hart und frustrierend und überraschend.
Ich bin geschockt, wie anders ich als schlanke Person behandelt werde. Die Menschen sind viel aufmerksamer und freundlicher zu mir.
Ich hatte 25 Jahre meines Lebens ein Ziel: Abnehmen. Weil, wenn ich schlank bin, dann ist alles gut, oder? Das zeigen die doch auch in der Werbung, die schlanke Frau, die im Hochzeitskleid, ihren dicken Mops die Kirchenstufen hoch trägt - glücklich bis ans Lebensende.
Ich habe immer noch keinen Partner. Wieso haben Frauen, die dicker sind als ich, einen Freund? :-) Das ist schmerzhaft. Es liegt nicht am Übergewicht, sondern an mir. Aber ich weiss nicht, was ich verändern muss. Vorher war die Gleichung klar: abnehmen = dünn = alle Probleme gelöst. Und jetzt? Ich habe keinen Plan. Jetzt hab ich neue Probleme, vor denen mich das Übergewicht bisher immer ‘geschützt’ hat.
Durch den grossen Gewichtsverlust ist viel überschüssige Haut zurückgeblieben. Über einen Zeitraum von einem Jahr hatte ich daher drei Wiederherstellungsoperationen. Allein am Bauch wurden 5 kg Haut entfernt. Ich habe jetzt einen flachen Bauch und trage keinen BH mehr. Doch mein Geheimnis sind die Narben der OPs.Wie wird ein Partner darauf reagieren?
Ich benutze das Essen gelegentlich noch, um mich zu betäuben. Aus Angst oder auch Gewohnheit spreche ich manche Konflikte nicht an. Ich fresse, um nicht fühlen zu müssen oder weil ich Angst habe, zu sagen was ich denke. Ich füge mir lieber selbst Schaden zu, als mich der Konfrontation mit anderen auszusetzen. Was sagt das über meine Erfahrungen, meine Umwelt?
Mein Ziel war es, in Frieden mit meinem Körper und dem Essen zu sein. Essen ist inzwischen nicht mehr der Hauptinhalt meines Lebens. Mein Wunsch ist es intuitiv essen zu können, ohne darüber nachdenken zu müssen.
Mir hat das intermittierende Fasten und lowcarb (vegan, ohne Getreide) geholfen, viel essen zu können und mich voll zu fühlen. Ich bin letzten Endes nicht bei lowcarb geblieben, weil mir die Power für den Sport fehlte. Ich esse inzwischen mehr Obst, aber immer noch vegan.
Ich habe meinen Sport danach ausgewählt, ob er mir Freude bringt, nicht danach, ob er am meisten Kalorien verbrennt. Sport hat mir geholfen, mich wieder mit meinem Körper anzufreunden. Zu sehen, was er alles ausgehalten hat und zu spüren, wie ich stärker und flexibler wurde, wie gut er nach den OPs geheilt ist, berührt mich sehr. Heute lächle ich allein schon beim Gedanken daran, zum Yoga zu gehen.
Masochismus ist out, baby. Ich bin lieb zu mir und meinem Sympathikus :-)
Ich habe mir Menschen gesucht, mit denen ich mich wohlfühle, bei denen ich mich nicht für meinen Körper schäme. Sei es eine Masseurin, Yoga-Lehrerinnen und -Lehrer oder ein Blog. Ich hatte mich durch mein Übergewicht stark isoliert und jede noch so kleine freundliche Geste oder das Ernstnehmen meiner Probleme war für mich unendlich wichtig.
Nachdem die OPs und die Heilung abgeschlossen waren, habe ich meinen Job gekündigt. Ich bin jetzt in der Sonne, im Grünen, kann jeden Tag Yoga machen und meinen Tag frei einteilen. Ich nehme mir die Zeit herausfinden, wie und wo ich leben möchte und was ich arbeiten möchte.
Ich schreibe dies für alle, die jetzt in der gleichen Situation sind, wie ich vor einigen Jahren. Ich bin nichts besonderes. Ich bin weder besonders diszipliniert, noch besonders stark. Ich hatte entmutigende Rückschläge, und es wird sicher weitere Rückschläge geben. Meine Rettung war, dass ich das Glück hatte, über die richtigen Informationen zu stolpern, von einer Quelle, der ich vertraut habe. Aus diesem Grund bin ich dabei geblieben, und ich habe es geschafft.
Jetzt habe ich die Bewegungsfreiheit und die Energie, zu tun, was ich will. Ich habe erfahren, dass ich viel aushalten kann, dass ich stärker bin als ich je vermutet habe. Diese Zuversicht und innere Sicherheit zu erleben, wünsche ich jedem.
Eine Reise ins Ich
Den wenigsten Menschen ist klar, was hinter all den Bemühungen steckt. Die Meisten glauben dagegen Versprechungen von Glück, welche vor allem wirtschaftlichen Interessen dienen. Auch hinter dem Bereich der Selbstverwirklichung steckt eine Industrie, welche mittels Marketing versucht einen monetären Anteil daran zu haben. Menschen verfolgen Rezepte (für Training, Ernährung, Meditation, Urlaub usw.) und wundern sich, dass sie weiter auf der Stelle treten. Sie suchen nach dem einfachen Weg nach Glück und wundern sich. Doch Widerstandskraft erlangt man nur in unwegsamen Gelände. Wer nur nach Glück sucht, wird schnell feststellen, dass Glück zerbrechlich und ohne Widerstandskraft seine Schönheit sehr schnell zerbrochen ist.
Ein schlanker Bauch oder ein dicker Bizeps führen nicht zu einem wirklich erfülltem Leben. Da kann man sich genauso gut eine elegante Wohnzimmereinrichtung oder ein dickes Auto kaufen.
Man kann sich Erfüllung auch nicht durch einen geilen Dopamin- oder Serotoninhack ergaunern. Erfüllung entsteht in einem langsamen, zähen und zehrenden Prozess. Ein Prozess, der auch körperliche Gesundheit und Freiheit miteinschließt, aber so viel mehr beinhaltet als das, was uns in den Werbeversprechungen angepriesen wird.
Ihre Reise ins Ich und ME-Improved
Das “ME” vor dem Improved sollte eigentlich für “Movement” und “Eeating” stehen. Ich dachte mir: Ich bin clever und packe das beides zusammen, sodass “me”, also “ich”, herauskommt. Dieses “Ich” meint aber nicht mich, Sascha, als Person. Es meint das Ich. Darum dreht sich dieses Projekt, darum dreht sich meine Arbeit.
Hinter meiner Arbeit steckt die Erkenntnis, dass Selbstfindung ein Prozess der Selbsterschaffung ist. Die Reise kann vielleicht damit beginnen, dass man abnehmen will, aber auf dem Weg muss man seine Partnerschaft heilen, seine Rolle als Mutter verstehen, seine Sucht nach Social Media akzeptieren oder, ist man schon weit gegangen, Kälte und Hunger ertragen, um seinen Geist zu reinigen. Manchmal kann sogar Training eine schädliche Betäubung sein, welche man missbraucht, um sich von den eigentlichen Problemen seines Lebens abzulenken.
Diese Reflexion spiegelt einen wichtigen, sogar fundamentalen, Teil von ME-Improved wieder. Danke liebe Autorin.
Bild
Pixabay (Abgerufen: 2016-10-13-10:07)