RE: "Fat vs. Carbohydrate Overeating: Which Causes More Fat Gain?"
Zusammenfassung: Sind Kohlenhydrate die bösen Buben oder nicht? Es kommt immer darauf an. Horton et al. stellen fest, dass für Übergewichtige und Normalgewichtige andere Regeln herrschen.
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Stephan Guyenet ist einer der wichtigsten Blogger im Bereich Steinzeiternährung und verwandten Themen. Eine seiner zentralen Thesen ist die Food Reward Hypothesis. Zusammengefasst könnte man sagen, dass das Problem moderner Ernährung ist, dass sie eine zu große Belohnungsreaktion im Gehirn auslöst und uns daher zu mehr Essen verleitet. So versucht er die extreme Verbreitung von Übergewicht in den Industrienationen zu erklären.
Damit er seine These belegen kann, ist es für ihn wichtig, dass es keinen relevanten Unterschied macht, ob man nun zu viele Kohlenhydrate oder Fett zu sich nimmt. Er betont die Wichtigkeit der Kalorienbilanz.
Als treuer Leser von Improved Eating ahnst du es sicherlich schon: Ich werde mich gegen diese Position wenden. Dazu nehme ich mir eine der Studien vor, die er verwendet um nahezulegen, dass die Makronährstoffverteilung an sich kein Problem ist.
Ein neuerer Beitrag von ihm Fat vs. Carbohydrate Overeating: Which Causes More Fat Gain?
Ich werde mir die erste Studie davon herausnehmen und dafür argumentieren, dass man sie anders als Stephan Guyenet interpretieren kann.
Der Volltext der Studie ist frei verfügbar.
Die Studie von Horton et al.
In der Studie wurden den Probanden (Schlanken und Übergewichtigen) 50% ihrer gewöhnlichen Kalorienzufuhr entweder als Fett oder Kohlenhydrate zusätzlich verabreicht. Das heißt, dass sie 150% ihrer üblichen Kalorienzufuhr zu sich nahmen.
Der zentrale Satz der Studie für Guyenet ist natürlich:
There were no significant differences between diets and/or groups in body weight or body composition changes.
Darauf will er hinaus. Schließlich will er zeigen, dass bei konstanten sonstigen Faktoren es keinen Unterschied macht, ob man nun zu viele Kohlenhydrate oder Fett zu sich nimmt.
Leider haben Horton et al. ihre Probanden nur für 14 Tage gemästet. Was sich innerhalb dieser Tage getan hat, ist nämlich hoch interessant:
Zunächst sieht es so aus, als würde der massive Fettüberschuss zu einer schlechteren Veränderung führen (Am Ende spiegelt sich das trotzdem nicht in der Zunahme der Fettmasse wieder). Allerdings holte die Kohlenhydratgruppe gegen Ende des Experiments in der Fettspeicherung immer mehr auf:
Während es bei der extrem fettreichen Ernährung einen klaren und stetigen Trend zur Steigerung des Kalorienverbrauchs gibt, fällt der Kalorienverbrauch in der Kohlenhydratgruppe von Tag 7 auf Tag 14 wieder ab. Kurzfristig haben die Kohlenhydrat eine stärkeren Einfluss auf den Stoffwechsel. Langfristig könnte es anders aussehen.
[pullquote position="right" hidden="true"]Es gibt Menschen, deren Körper so robust ist, dass sie sich von McDonalds und Rattengift (letzteres ist gesünder als ersteres) ernähren könnten.[/pullquote]
Das erinnert mich stark an Felthams Selbstexperiment. Ich konnte die Ergebnisse Felthams im echten Leben mehrfach reproduzieren. Bei gleichzeitigem Training kam es in mindestens vier Fällen zu einem Verlust von Körperfett und einem Gewinn von Muskelmasse, als ich die Fettzufuhr überproportional erhöht habe.1
Ein weiterer Punkt ist, dass die Schlanken Menschen schlechter auf Fett zu reagieren scheinen und die Übergewichtigen schlechter auf Kohlenhydrate:
Übergewichtige haben im allgemeinen einen schlechteren Kohlenhydratstoffwechsel. Sie haben einen höheren Insulinspiegel, eine schlechtere Insulinresistenz und höhere Blutzuckerwerte. Auf der anderen Seite haben sie einen schlechteren Fettstoffwechsel.
In diesem Unterschied sehe ich ein Resultat unserer modernen zu kohlenhydratreichen Kost. Diejenigen, die diese puffern können, haben weniger Probleme und entsprechend bleiben sie trotz der Ernährung schlank. Die weniger Robusten entwickeln unter einer kohlenhydratreichen Kost Übergewicht, Diabetes und all die anderen typischen Zivilisationskrankheiten.
So sind die Probanden durch die moderne Ernährung an Hand ihres Gewichts schon vorselektiert. Das spiegelt sich in unseren Alltagsbeobachtungen wieder. Manche können scheinbar jeden Müll in sich hineinstopfen und bleiben schlank, während andere nur von einem Kuchen lesen müssen und nehmen zu.
Die Schlanken dieser Studie haben schon bewiesen, dass sie mit einer kohlenhydratreichen Kost besser zurecht kommen und entsprechend reagieren sie auf einen Kohlenhydratüberschuss besser und auf einen Fettüberschuss weniger gut.
Ich habe diese Studie schon vor längerer Zeit gelesen und ich halte sie für nicht gut verwertbar. Am Ende blieb für mich die Beobachtung von Horton et al. übrig, dass Übergewichtige sowohl bei Kohlenhydratüberschuss als auch bei Fettüberschuss mehr Kohlenhydrate und weniger Fett verbrannt haben. Je größer die Abhängigkeit von Kohlenhydraten ist, desto eher entwickelt man ein Übergewichtsproblem.
Wie relevant sind die Aussagen, die durch ein so massives Überfressen entstehen? Gerade bei so hochkalorischen Situationen ändern sich die Regeln ganz beträchtlich. Das Gleiche gilt für ein großes Kaloriendefizit.2
Am Ende bleibt von der Studie folgendes übrig:
- Je länger der Kohlenhydratüberschuss andauert, desto schlechter sind seine Auswirkungen. Das spricht schwach für die Praxis einer kohlenhydratreduzierten Kost bei regelmäßigen Refeeds. Ein Fettüberschuss scheint ebenso schlechte Auswirkungen zu haben, ist aber gleichbleibend problematisch.
- Ein Kohlenhydratüberschuss scheint die Reaktion auf Kohlenhydrate zu verschlechtern, während eine Fettüberschuss die Reaktion selbst nicht zu verschlechtern scheint. Das gilt natürlich nur für die hier gemessenen Eigenschaften.
- Bei den Auswirkungen von Überschüssen braucht man längere Beobachtungsdauern. Übergewicht und die entsprechenden Eigenschaften des Körpers entstehen nicht in Wochen, sondern vielmehr in Monaten und Jahren.
- Unsere moderne Ernährung selektiert die Probanden von Studien schon vor. Die Schlanken haben bereits gezeigt, dass sie mit einer kohlenhydratreichen Kost zurecht kommen, während die Übergewichtigen schon ihr Scheitern an der üblichen Ernährung belegt haben. Man sollte seine Ernährung so gestalten, dass man seine Fähigkeit einen Kohlenhydratüberschuss auszugleichen nicht überreizt.
- Je geringer die Abhängigkeit von Kohlenhydraten und je höher die Fähigkeit Fett zu verbrennen ist, desto unwahrscheinlicher sind Probleme mit dem Übergewicht.
Abschlussgedanken
- Fairer Weise hat Guyenet zwei Dinge erwähnt:[^Studiebeschränkung]
- Der Studienzeitraum ist wahrscheinlich nicht lange genug
- Zwischen den einzelnen Probanden gab es große Unterschiede. Manche konnten ihr Gewicht halten, andere reagierten schlecht auf Kohlenhydrate andere schlecht auf Fett. Das macht die Gesamtaussage der Studie schwächer und weniger eindeutig.
- Wie bringe ich das mit Felthams Selbstexperiment zusammen? Es wäre interessant ein solches Experiment mit wirklichem Low Carb (<50g Kohlenhydrate pro Tag) UND guter Nahrungsqualität in Steinzeiternährung zu sehen.
- In der Praxis sehe ich auch genau das, was hier in der Studie passiert ist: Es gibt Menschen, deren Körper so robust ist, dass sie sich von McDonalds und Rattengift (letzteres ist gesünder als ersteres) ernähren könnten. Ihre Toleranz ist größer, was aber nicht heißt, dass eine gute Ernährung für sie nicht auch besser ist. Auch eine Kohlenhydrattoleranz bedeutet nicht, dass eine hohe Kohlenhydratzufuhr auch gut ist.
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Eine von mir angewandte Strategie Körperfett abzubauen ist, den Sportumfang radikal zu erhöhen und gleichzeitig aber auch die Nahrungszufuhr. Letztere habe ich teilweise deutlich überproportional erhöht und trotzdem kam es zum Fettverlust. Das scheint immer wieder zu klappen, solange man dabei kohlenhydratarm und qualitativ ernährt. Dieses Vorgehen ist durch John Berardis G-Flux inspiriert. Das funktioniert nicht mit einer kohlenhydratreichen Kost. Hier muss ich weiter forschen.
Fragen
- Wie wichtig ist für dich die Portionsgröße beim Essen? Wo ist die obere Grenze und unterscheidet sie sich, wenn du fettlastige und kohlenhydratlastige Mahlzeiten vergleichst?
- Hattest du schon Phasen von viel Essen, die nicht zu einer deutlichen Zunahme von Körperfett geführt haben?
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Damit das funktioniert gibt es eine Reihe von Vorbedingungen. Wenn du jetzt einfach ein Stück Butter mehr isst, wirst du wahrscheinlich einfach nur ein bisschen dicker. ↩
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Ein Kaloriendefizit ist metabolisch gesehen eine Fettzufuhr (und ein bisschen Protein und Kohlenhydrate). Das bedeutet, dass viele Studien mit einer anteilig hohen Kohlenhydratzufuhr metabolisch gesehen ganz anders funktionieren. Deswegen sind Studien mit einem Kaloriendefizit nicht sehr nützlich für Aussagen über die Ernährung unter einigermaßen ausgeglichenen Bedingungen. ↩