Setz dich nicht in die Diabetes - Forschungsblitzlicht
Zusammenfassung: Eine grundsätzlich inaktive Lebensführung ist nicht durch Sport auszugleichen. Das sind zwei verschiedene Faktoren in deinem Leben. Sitzen verschlechtert akut die Insulinsensitivität. Wer viel sitzt, verbringt viel Zeit mit einer verschlechterten Insulinsensitivität.
Der Artikel von Smith et al. dreht sich um Aktivität, die nicht als geplantes Training strukturiert ist. Insbesondere beziehen sie sich auf sehr leichte Aktivitäten, wie Gartenarbeit, Erledigungsgänge (mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren z.B.) und Ähnliches.
Der Artikel hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil er eine Beobachtungsstudie zitiert hat, die bei 70-82jährigen eine Korrelation verringerter Sterblichkeit mit erhöhter Aktivität unabhängig vom Training festgestellt hat. Das ist unter gerontologischen Aspekten interessant, weil es in den Industrienationen schon lange nicht mehr darum geht, das Überleben zu verlängern, sondern die lange Lebenszeit mit Lebensqualität anzureichern.
"Was interessiert mich denn Gerontologie?", wirst du dich vielleicht an dieser Stelle fragen. Es sind die Grenzfälle, an denen man am schnellsten lernen kann. Wenn man Altern als Regenerationsversagen sieht, kann man die Phänomene des Alterns zur Erforschung des Konzepts Regeneration nutzen.
Ein weiterer zitierter Artikel hat eine Korrelation von allgemeinem, täglichen Energieverbrauch und einem reduziertem Risiko für das metabolische Syndrom gefunden. Dieses reduzierte Risiko ergab sich unabhängig von der Fettmasse oder der Ausdauer.
Alles deutet darauf hin, dass Aktivität, Bewegung an sich, ein Faktor ist, der nicht auf körperliche Attribute zurückführbar ist. Bewegung macht nicht (nur) schlank, Bewegung ist an sich eine Komponente eines gesunden Lebenswandels.
Das Thema hier sind Nichttrainingsaktivitäten. Wer selbst weiterforschen will, kann die Suchworte "NEAT" und "Non-exercise activity thermogenesis" benutzen.
Für mich fügt sich das sehr gut in mein bisheriges Forschungsbild ein.
- Brown et al.[^brown2014] stellten fest, dass Inaktivität ein größeres Risiko für Herzerkrankungen bedeutet als der BMI, Rauchen oder hoher Blutdruck.
- Marc und Janssen[^mark2008] stellten fest, dass die Zeit vor dem Bildschirm (Fernsehen, Computer, Videospiele) mit dem Vorliegen des metabolischen Syndroms korreliert. Diese Korrelation verlief gemäß einer Dosis-Wirkungs-Kurve. Sportliche Aktivität hatte wenig Einfluss auf diese Korrelation. Das legt nahe, dass Inaktivität ein eigener Risikofaktor ist und nicht in einer Summe von Aktivität und Inaktivität aufgehen kann (Sport kann Sitzen nicht ausgleichen).
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Wijndaele et al.1 stellten fest, dass sowohl die Zeit vor Computer und Fernsehen als auch Sport unabhängig voneinander Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des metabolischen Syndroms hatten. Eine höhere Inaktivität erhöhte die Wahrscheinlichkeit unabhängig von Sport und Sport senkte die Wahrscheinlichkeit unabhängig von Inaktivität. Das legt nahe, dass Inaktivität ein eigener Risikofaktor ist und nicht in einer Summe von Aktivität und Inaktivität aufgehen kann (Sport kann Sitzen nicht ausgleichen).
Das heißt, dass man den negativen Effekt eines inaktives Leben (z.B. Bürojob) nicht durch Sport ausgleichen kann, wenn wir dieser Korrelation folgen. Selbstverständlich ist Sport ein positiver Faktor für das Leben, doch ist er eine andere Entität als der Alltag.
Das heißt: Man kann seine Sitzzeit nicht wegsporten.
Warum ist das so?
Ich vermute, dass es mit dem akuten Effekt muskulärer Aktivität zusammenhängt. Sobald man sich hinsetzt, fällt die Stoffwechselaktivität rapide ab.
Sitzen senkt beispielsweise akut die Insulinsensitivität. Das heißt, dass man sich für die Dauer seiner sitzenden Tätigkeit in schlechterer Insulinsensitivität befindet, als etwa beim Stehen oder Gehen.
Ein Problem des heutigen Lebens ist, dass Sitzen gewöhnlich und alles andere außergewöhnlich ist. Zusätzlich zu häufig sitzenden Berufen kommt die Zeit vor dem Computer, dem Fernseher, im Auto, beim Essen und so weiter.
Das heißt, dass unser heutiges Leben vor allem in einem Zustand schlechterer Insulinsensitivität und niedrigem Stoffwechsel stattfindet.
Es gibt zwei Gegenmaßnahmen:
- Sitzzeiten durch aktivere Positionen tauschen. Ein Stehschreibtisch als Alternative zum üblichen Arbeitsplatz und die eigenen Füße anstatt das Auto zu benutzen sind zwei mögliche Maßnahmen.
- Sitzzeiten aufbrechen. Alle 20--30min aufstehen und ein paar Schritte gehen hilft schon den negativen Effekt des Sitzens zu senken. Eine echte Zwischenroutine bietet natürlich weitaus mehr Vorteile.
Für mich ist damit der Wert der Zwischenroutinen und der Pomodoro-Technik bestätigt.
Im nächsten Beitrag wird es einen kleinen Einblick in das Training des Willens geben.
Fragen & Reflexionen
- Gehe deinen Tag durch. Wie groß ist der Anteil von Inaktivität und welchen Anteil hat Bewegung?
- Welche Maßnahmen ergreifst du, um Inaktivität auszugleichen?
- An welcher Stelle in deinem Leben bist du unnötig inaktiv? Wäre eine Aktivierung dieses Teil deines Lebens ein zumutbarer Aufwand?
Bilderrechte
Adaption of Madelief in High Chair by Eden, Janine and Jim via edenpictures, CC BY 2.0
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Wijndaele, K., Duvigneaud, N., Matton, L., Duquet, W., Delecluse, C., Thomis, M., Beunen, G., Lefevre, J., & Philippaerts, R. M. (2009). Sedentary behaviour, physical activity and a continuous metabolic syndrome risk score in adults. Eur J Clin Nutr, 63(3), 421-9. [abstract][wijndaele2009] ↩