Ernährung und mentale Härte
Zusammenfassung: Mentale Härte ist manchmal auch in der Umsetzung unserer Ernährungsvorhaben ein Erfordernis. Genauso wie Profisportler sind wir unter ständiger Belastung und viele sogar noch stärker als Profisportler. Deswegen ist mentale Härte für uns gewöhnliche Menschen mindestens genauso relevant.
“Professional athletes are in many ways our culture’s holy men. They give themselves over to a pursuit, endure great privation and pain to actualize themselves at it and enjoy a relationship to perfection that we admire, reward and love to watch, even though we have no desire to walk that road ourselves. In other words, they do it “for” us, sacrifice themselves for our (we imagine) redemption”. – David Foster Wallace.
Die Topathleten stehen wie Gladiatoren zu unserer Unterhaltung in der Arena. Sie zeigen übermenschliche Leistungen und grenzen sich so von uns gewöhnlichen Menschen ab. Ein Aspekt, der seltener gezeigt und gewürdigt wird, ist der tägliche Kampf, das tägliche Opfer solcher Menschen.
So wenig relevant Bodybuilding inhaltlich für mich und wahrscheinlich viele von euch Lesern ist, so großartig finde ich, welchen Beitrag die Kultur um diesen Körperkult für den Lebenswandel leistet. Vorkochen, Integration von Training und Ernährung in den Alltag, die Bereitschaft sich durch Schwierigkeiten durchzubeißen und sich von der modernen Fress- und Unterhaltungskultur abzugrenzen sind Elemente des Bodybuildings, die ich für wichtig halte.
Eben solche Elemente betreffen nahezu jeden in dieser Gesellschaft. Wir müssen trotz großer Stressbelastung, Multitasking und Entscheidungszwänge funktionieren. Wenn wir unsere Entscheidungen zur Ernährung und Bewegung treffen, müssen wir diese Entscheidungen im Kontext einer solchen Belastung treffen. Diese Belastung müssen wir dann auch in unsere Pläne und Vorhaben einbeziehen.
Das ist es, was die Angelsachsen als "Daily Grind" bezeichnen. Es ist der zermürbende Effekt eines Alltags, der von uns beständig Entscheidungen und Belohnungsaufschub verlangt.
Eine alleinerziehende Mutter hat nicht weniger Belastung als ein Olympia-Athlet.
- Sie muss in ihrem Beruf entsprechende Leistungen bringen.
- Sie muss ihre Kinder versorgen.
- Sie hat vielleicht einen Partner und muss so Energie in die Beziehung investieren.
In diesem ganzen Durcheinander muss sie irgendwie auch noch Zeit für sich einplanen. Diese Mutter ist mehr belastet als ein Profiathlet. Schließlich sind die Anforderungen nicht einmal auf ein Ziel hingerichtet, sondern auf die Ziele dreier anderer Parteien.
Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.
So sagt man in Afrika. Und wie viele von uns haben dieses Dorf?
Ich halte es für unheimlich wichtig vor diesem Hintergrund, zu verstehen, dass wir alle sehr belastet sind. Wenn wir uns die Profiathleten ansehen, bedeutet es eigentlich nicht, dass wir von den Extremen lernen. Vielmehr betrachten wir hier eine andere Ausprägung des gleichen Extrems, mit dem wir umgehen müssen.
Der Weg dorthin umfasst kleine Entscheidungen und mein Ratschlag ist es, solche Entscheidungen einzeln zu nehmen. Viele Menschen generalisieren ihr Urteil, dass sie durch eine Fehlentscheidung gewinnen. Weil sie eine Entscheidung getroffen haben, mit der sie nicht zufrieden sind, urteilen sie über sich als ganze Person: "Ich bin eben nicht diszipliniert."
Es geht nicht darum, immer perfekte Entscheidungen zu treffen. Vielmehr solltest du Entscheidungen treffen, die ein bisschen besser sind als deine bisherigen Entscheidungen. Wenn du immer ein Stückchen besser wirst, als am Tag zuvor, bist du auf dem richtigen Weg.
Das Sprichwort heißt, dass man manchmal in den saueren Apfel beißen muss. Es heißt nicht, dass man den ganzen Apfel runterwürgen muss.
Mentale Härte in der Ernährung heißt für Einige, dass man sich gegen die bequeme Couch entscheidet und sich nach einem langen und anstrengenden Tag an den Herd stellt, um den nächsten Tag vorzubereiten.
Man sollte das nicht abtun. An sich ist das Vorkochen eine sehr einfache und für jeden in den Alltag leicht zu integrierende Sache. Doch wenn man einen mental anstrengenden Tag, z.B. als Lehrer/Lehrerin, gehabt hat, türmen sich die 15min in der Küche zu einem gewaltigen Bergen von Aufwand und Arbeit.
Das Blöde am Leben ist, dass man diese Entscheidung so oder so treffen muss. Man wird am Ende müde sein, gleichgültig wie man sich entschieden hat. Doch am Ende liegt man dann im Bett und ärgert sich darüber, dass man nicht das gemacht hat, was man für richtig hält - oder man ist einfach nur so müde, hat man sich einmal kurz überwunden.
Ich kenne das von mir selbst. Mein Tag hat kein festes Ende. Ich muss selbst entscheiden, wann ich mich von meinem Schreibtisch löse. Das Abendessen ist eine Art Abschluss für mich, aber nachdem ich von morgens 6h bis abends 20h am Schreibtisch gesessen, trainiert oder meine Alltagsaufgaben erledigt habe, ist selbst die einfache Küche für mich schon anstrengend. Ich kenne die Versuchung solche langweiligen oder unangenehmen Dinge aufzuschieben.
Ich atme dann tief durch und sage mir, dass ich das ohnehin machen muss. Oft nehme ich mir dann einfach meinen Laptop mit in die Küche und mache mir irgendeine Serie oder noch viel öfter eine Doku an. Dann nervt das Kochen nur noch halb.
Das Schöne ist, dass man sich mit der Zeit und mit der Häufigkeit solcher Entscheidungen allmählich verändert. Man könnte das auch als eine Art Schutzmechanismus der Psyche vor solchen Anstrengungen betrachten.
Zunächst bildet sich eine Gewohnheit aus, gerade bei Dingen, die man täglich macht. Wenn man eine Reihe von Gewohnheiten ausgebildet hat, also beständig durch diesen Zyklus von Überwindung zur unangenehmen Entscheidung bis zur Gewöhnung an diese gelaufen ist, beginnt man sich auf tieferer Ebene zu verändern.
Wir sind hier auf der Ebene unsere Glaubenssätzen angelangt. Wir beginnen uns selbst in einem anderen Licht zu sehen und dann schlussendlich auch anders zu sein. Anstatt uns nun als schwach und undiszipliniert zu sehen, beginnen wir zu realisieren, dass wir Widerstände überwinden können. Neue Gewohnheiten ins Leben aufzunehmen wird dann nicht mehr so ein Krampf. Es bleibt unangenehm und es nervt auch ganz schön, aber es kümmert dann weniger, wenn es dabei Schwierigkeiten oder unangenehme Empfindungen gibt.
Man entwickelt mentale Härte. Mentale Härte, "toughness" oder ungerne auch Disziplin ist trainierbar. Man sollte sie auch trainieren. Allerdings ist diszipliniert sein für mich nach wie vor der falsche Ausdruck. Es ist vielmehr die Ausprägung von Glaubenssätzen und einer Identität, die auf die Herausforderungen des Lebens abgestimmt sind. Wir werden zu einer stärkeren Version unserer Selbst.
Hier die Doku über die Hintergründe zu den Olympia-Athleten: